Über die Arbeit und das Geld


Über Kulturgüter und die Ferien

Sommertag in Arnsberg - Foto: privat Virtuelles Aquarell: Ein Sommertag des Jahres 1900
Heinz (links) und seine Brüder Max und Paul in den Schulferien in
Arnsberg/Westfalen

 

Max erzählt: Anna Mulders Haus in Alkmaar/NL - Foto: privat
"Während meiner Jugend ist an nichts gespart worden. Es wurde gut gelebt, und auch die Kulturgüter wie Konzerte und Theater wurden fleißig in Anspruch genommen. 

Eine größere Erholungsreise in den Ferien wurde in jedem Jahr gemacht. Bei der großen Kinderzahl fuhren wir natürlich zu den Großeltern nach Essen oder wurden bei anderen Verwandten untergebracht.

 Eine Ausnahme gab es: wir waren 6 Wochen auf Schloß Kappenberg bei Lünen. Die Familie, d.h. Mama, Elise, und 5 Kinder, wohnte im Hause Kreuzkamp auf dem Schloßgelände, in einer ehemaligen Abtei. Zu Pfingsten machten wir Ausflüge mit einem Rheindampfer, oder es ging ins Sauerland, wo Heinrich in Menkhausen eine Jagdhütte hatte.

Die Mama ist öfter in Scheveningen gewesen, wo sie Anna MULDER-KLÄSENER, Vaters Cousine, traf. Anna heiratete später den Lehrer Jan-Pit MULDER, lebte mit ihm in Alkmaar [s. Foto rechts, dieses Haus in der Steynstraat steht heute noch!] und starb im hohen Alter von 92 Jahren, Jan wenig später."

 

Niederländische Landschaft (aus "5.000 Postkarten aus der Zeit um 1900" von The Yorck Project)

 


 

Foto: 
Heinz  (vorne links) 
in der Oberstufe 
des Hörder Gymnasiums,
April 1911

In späteren Jahren, als Heinrich schon verwitwet war, fuhr er mit seinen Söhnen an Feiertagen oder in den Schulferien gern in ein kleines Dorf im Hochsauerland. 

Max erzählt:
 "...oder es ging ins Sauerland, wo Heinrich in Menkhausen eine Jagdhütte hatte."

Dort gab es auch
Das Haus am Berg. 
Es hat eine außergewöhnliche Geschichte.

 


 

 

 

Das Haus am Berg

Weit abgelegen vom nächsten Ort lebt in dieser Gegend gegen Ende der 1860er eine junge Familie. Vermutlich um sich lange Anmarschwege zu ersparen, wohnen die Eheleute Maria Theresia und Karl, der Sohn eines italienischen Tagelöhners, in einer einfachen Hütte direkt auf ihrem Feld, etwa ½ Stunde Fußweg vom nächsten Dorf entfernt. Hier werden ihnen 2 Kinder geboren, 1868 der Sohn Josef, 1870 die Tochter Maria. Kurz darauf macht sich der junge Vater aus dem Staube, niemand weiß, wohin. Er überlässt seine Familie ihrem Schicksal.


 


Es muss hart gewesen sein für die alleinerziehende Mutter mit den 2 kleinen Kindern in der einsamen Wildnis auf dem Berg, ein Leben in bitterer Armut, von Hunger, Kälte und schwerer körperlicher Arbeit geprägt. Vermutlich baut sie in dieser Zeit im Garten Gemüse und Kartoffeln für den Eigenbedarf an. 

 


 

Einige anspruchslose Schafe grasen auf dem Land, einer Heide, bewachsen mit struppigen Grasbüscheln, Gesträuch und Kraut. Sie sorgen für Milch, Fleisch und Wolle, von der man gelegentlich etwas verkaufen kann und so ein paar Pfennige einnimmt.

 Nach und nach bekommt die kleine Familie das Leben wieder in den Griff.


 

Um 1882, wahrscheinlich als die Kinder schon herangewachsen sind, der Sohn bereits aus dem Haus ist, wird die zugige Hütte zu kalt, um sommers wie winters darin zu wohnen. Vielleicht ist sie auch inzwischen morsch geworden. So machen sich Mutter und Tochter daran, ein kleines Häuschen aus Feldsteinen und Lehmziegeln zu erbauen, ohne jegliche fremde Hilfe. Eine großartige Leistung!  

In der mündlichen Familientradition wird immer wieder berichtet: "Zwei Frauen haben das kleine Haus ganz allein erbaut." ... Das Häuschen hat 2 Räume, jeder 3m x 3m groß etwa. Es ist mit der Breitseite am Berghang entlang gebaut, teilweise ins Erdreich hinein. Die andere Seite blickt in das weite Tal der Wenne... falls es überhaupt Fenster gab. Der Boden ist kunstvoll im Fischgrätmuster aus kleinen Feldsteinen gepflastert (siehe oben).


 

 


Die Türschwelle bildet ein großer Naturstein, an der Wand sind 2 Sitzbänke aufgemauert – sie sind heute noch zu sehen (siehe links). Der Eingang liegt nach Südwesten, an der Schmalseite des Häuschens, günstig, um Wärme und Licht einzulassen, leider aber auch Sturm und Regen.



 

 

 

Lange Zeit steht dieser Eingang offen. Die Frauen haben kein Geld für eine Haustür. Sie finanzieren den Erwerb (siehe Foto rechts) schließlich durch den Verkauf von warmen Strümpfen, die sie aus selbstgesponnener  Schafwolle stricken.

 





Im Jahr 1890
heiratet die Tochter Maria,  genannt Marri, ein schlankes zierliches Mädchen von 20 Jahren, den 25jährigen August Hardebusch.  

Ein stattliches Fachwerkhaus wird errichtet (Foto von 1935). Es schließt das Gemäuer des kleinen Häuschens mit ein. Seit diesem Jahr ist der Name des Hofes „Das Haus am Berg“.

Um das Haus herum wachsen gute Apfelbäume, die wegen der günstigen Hanglage auf dem Berg von Spätfrösten im Mai verschont bleiben. Wenn die Schulkinder im Februar von Haus zu Haus ziehen und ihren Spruch zum Winteraustreiben aufsagen, schenkt Marri ihnen zur Belohnung stets ein paar von diesen Äpfeln. Alle Kinder lieben die köstlichen Früchte, an die sich manch einer heute noch erinnert. 

Riut, riut, Sunnenvugel!
Sente Paiter is do,
Sente Tigges kummet donoch,
Is för allen Düähren do.

Raus, raus, Sonnenvogel! 
Sankt Peter ist da, 
Sankt Matthias kommt danach,
Steht vor jeder Tür.

 

Anmerkung zum Winteraustreiben:
- Mit Sonnenvogel ist vermutlich die Lerche gemeint, die nun wieder anfangen soll zu steigen.

- Am 22. Februar heißt es: Petri Stuhlfeier macht Tag und Nacht gleich. 
- Am 24. Februar: Wenn Matthias kommt herbei, legt die Henne das erste Ei.



 

 


Marri und August haben 5 Söhne und 3 Töchter. 

IM JAHR 1940 erbt der älteste Sohn Josef (Foto rechts) das Haus, ein typisch westfälischer Bauer - vielleicht auch ein Spökenkieker - fleißig, genügsam, wortkarg und klug, der sogar seine angriffslustigen Bienenvölker auf rätselhafte Weise besänftigen kann und mit einer einfachen Haselgerte Wasseradern aufzuspüren versteht.

 


 

Immer wieder wird das Fachwerkhaus erweitert und verändert. Heute ist es das Heim der 3 Urenkelinnen von Marri: Regina, Monika und Gerda. Hier trifft sich die Familie mit Verwandten, Freunden und Feriengästen.... wie vor 100 Jahren. So lange dauert auch schon die Freundschaft zwischen unseren Familien.


  Foto: Das Haus am Berg, © 2004 Marlies Niehues

 


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