Gruß an Schnipp aus New York
Das World Trade Center
In den ersten Januartagen des Jahres 1912 kam Paul Marnach in New York an.
Das Farbfoto oben zeigt die Skyline von New York an
der Stelle, wo der East River
(vorn) und der Hudson (hinten) in den Atlantik münden. Links im
Hintergrund grüßt "Miss Liberty", die Freiheitsstatue, rechts ragten bis zum 11. September 2001 die ZwillingsTürme
des WTC in den Himmel.
"Die Skyline war wie das Foto einer vertrauten Familie. Und dann
fehlen zwei Elemente, als wären zwei Menschen auf diesem Foto nicht mehr
da." So schreibt die Süddeutsche Zeitung nach den Anschlägen vom September 2001.
Hudson Terminal Station
Am
4. Januar 1912, um 12,30 PM schickt Paul aus New York eine
Karte an seine Eltern, adressiert an Herrn Civil Ingenieur Heinrich
Marnach, Dortmund, Leipzigerstr. 21, Germany. Die Karte trägt den Poststempel
"Hudson
Terminal Station".
Abb.
links:
Postcard View of Former
Hudson Terminal
Station
Courtesy of the Yost Collection
"Lieber Papa! Ich
bin hier glücklich angekommen, will aber weiter nach Staat Venezuela,
weil in New York nichts für mich ist. Ich schreibe gleich einen ausführlichen
Brief. Viele Grüße an Mama und Dich, Ernst, Heinz, Max! Euer Paul - Ich schreibe dir
noch, was Pater Nageleisen gesagt hat."
Genau hier, wo vor 90 Jahren Paul in New York die
Postkarte an seine Eltern in Dortmund in den Briefkasten steckte, am
Bahnhof "Hudson Terminal Station", stand schon damals ein 22stöckiges
Doppel-Gebäude, im Jahre 1900 von der Hudson & Manhattan
Railroad erbaut.
1971 wurden an seiner Stelle die Twin
Towers des World Trade
Centers mit 110 Stockwerken errichtet, die bis zum Terror-Anschlag am 11. September 2001 hier
aufragten.
http://www.jerseycityhistory.net/breakingnews-2.html .
Es gibt keine Zuflucht mehr (SZ Sept. 2001)
Mehr als 100 Jahre
lang war New York der rettende Hafen. Es war der Ort, vor dem die
Freiheitsstatue verkündete:
„Give me your tired, your poor, your huddled masses yearning to breathe
free.“ Manhattan war die Insel jener Seligen, die es geschafft
hatten, sich zu retten. Mit ihrem Versprechen von Sicherheit und Freiheit
diente die Stadt als Projektionsfläche fürAmbitionen, Sehnsüchte und Träume,
ganz egal, ob die Ankömmlinge vor Leid, Krieg und Hunger flüchteten oder
nur die Herausforderung suchten.
Doch nun konnte die ganze Welt am Tag des
Anschlags sehen: Es waren die Verzweifelten von Downtown Manhattan, die
buchstäblich nicht mehr frei atmen konnten. Plötzlich strömten die
„dicht gedrängten Massen" aus den Versen von Emma Lazarus in
umgekehrte Richtung. Auf Booten und über die Brücken zogen die Flüchtlingsströme
nach Brooklyn und Queens, nur weg von Manhattan, wie in
einem Exodus aus dem gelobten Land.
Manhattan brennt
Das
Satelliten-Foto (Spiegel-online) zeigt den Tag nach dem
Terror-Angriff: Rauch steht über der Stelle, wo einst das World Trade
Center war. An dieser Stelle lag vor 100 Jahren der Bahnhof "Hudson Terminal Station.".
Am
11. September 2006 schreibt Spiegel-online
9/11-GEDENKEN
Die Zeit steht still am Ground Zero
2749 Namen und mindestens ebenso viele Geschichten von Trauer, Schmerz und Verlust: New York, fünf Jahre nach dem 11. September 2001. Zur Gedenkfeier am Ground Zero, wo die Zwillingstürme des World Trade Centers standen, hielten Angehörige, Politiker und Kollegen vier Minuten inne - und mit ihnen ein ganzes Land.
Fast ein Jahrhundert vorher: Wohin fuhr Pauls Zug?
Abb.:
"Starting a long Journey",
Postkarte von 1911,
aus The Yorck Project
Von "Hudson Terminal Station" aus gab es schon
seinerzeit
Bahnverbindungen über den Hudson nach Hoboken, Jersey City und Newark
in New Jersey (Siehe Manhattan-Foto!)... und weiter in viele
Staaten der USA. Die Eisenbahn war damals die beste Möglichkeit, riesige
Strecken über Land zu bewältigen. Wenn man nicht wie die
Western-Helden hoch zu Ross oder mit Pferdekarren reisen wollte. Hier stieg Paul Marnach in einen Zug. Wohin?
Hat der eben erwähnte Pater Nageleisen,
wahrscheinlich ein katholischer Geistlicher und Freund meines
Großvaters Heinrich, ihm wohl einen Hinweis geben können, der ihm
weiterhalf? Heinrich hatte also vorgesorgt, damit sein Sohn Paul in dem
"weiten Land" eine Anlaufstelle hatte: Pater Nageleisen ...
Irgendwie erinnert das an die Episode mit dem kleinen dicken irischen
Priester in Frank McCourts "Ein rundherum tolles Land". Als
Frank mit dem Schiff von Irland kommend in New York an Land geht, sagt
der Father beim Anblick von Franks langen Unterhosen: "Wenn du
diese Dinger aus dem Fenster hängst, ergeben sich die Leute auf der
Straße. Ein guter Rat: Zeig dich vor Amerikanern nie in diesen Dingern.
Kauf dir Slips!" Ob Paul Slips trug? Im kalten New Yorker Januar
waren lange Unterhosen sicher gemütlicher, um dieses unübersetzbare
deutsche Wort zu gebrauchen..
Pauls Postkarte
So sieht die alte Ansichtskarte aus,
die Paul 1912 aus New York an seine Eltern schickte! Eine kolorierte
Abbildung der "Trinity Buildings". Sicher fand er den Bau
architektonisch interessant.
Erbaut 1905, war er bei Pauls Besuch sozusagen "nagelneu"! Er liegt
in unmittelbarer Nachbarschaft des World Trade Centers an der
Ecke Broadway und Wall Street, dem New Yorker Börsenviertel.
Er hat
seinen Namen nach der Dreifaltigkeits-Kirche - Trinity Church
- ist aber viel eher eine gewinnbringende Kapitalanlage der Gemeinde. Links unten auf
der Karte ist das Grün des alten Kirchhofs zu sehen, in dem die Trinity
Church liegt...
... die man auf dem Foto rechts sieht, und dahinter das Gebäude
"Trinity Buildings.". Es sieht noch nach 90 Jahren genau so
aus wie auf Pauls alter Postkarte! Trinity Church und dahinter
Trinity Buildings in Staub-
und Rauchschwaden nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center im
September 2001
Foto von Leo Sorel, auf der Homepage der
Trinity-Gemeinde
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