Die Familie und was dazugehört


Pfefferpotthast

Sicher gab's in der großen Familie manchmal zu Mittag dieses sehr praktische Dortmunder Nationalgericht, wie es die berühmte Henriette Davidis beschreibt (vergl. auch ihre Punschrezepte an anderer Stelle!):

Pfefferpotthast nach Henriette D.

Hierzu werden hauptsächlich die sogenannten kurzen Rippen genommen, solche in 1/2 Hand große Stückchen gehauen, mit nicht zu reichlich Wasser und nicht zuviel Salz ausgeschäumt. Dann fügt man soviel kleingeschnittene Zwiebeln hinzu, dass die Soße dadurch sämig wird, gibt Pfeffer und Nelkenpfeffer (ungestoßen), einige Lorbeerblätter und späterhin auch einige Zitronenscheiben hinzu. Sollte der Soße, welche zwar ganz gebunden, aber nicht zu dicklich sein darf, auch nach Gewürz schmecken muss, noch Sämigkeit fehlen, so kann man zuletzt etwas feingestoßenen Zwieback gut durchkochen lassen. (Aber Henriette, welch ein Satzungetüm! Du hast es aber trotzdem noch hingekriegt!) Fleischklößchen, allein gekocht, beim Anrichten ins Ragout gelegt, machen dies Gericht noch angenehmer. Es werden Kartoffeln dazu gegeben.


Meine aktualisierte Version von Pfefferpotthast 

Fleischwürfel wie zu Gulasch, (Rindfleisch, leicht fettdurchzogen - oder Schweinefleisch - oder halb Rind, halb Schwein) werden in heißem Fett kurz angeschmort, nicht braun gebraten. Es kommen geschälte, grobgewürfelte Zwiebeln (die gleiche Gewichts-Menge wie das Fleisch) hinzu, und alles wird mit Salz, reichlich frischgemahlenem Pfeffer (daher der Name Pfefferpotthast = mit Pfeffer im Pott gesottenes Fleisch!), ungemahlenen Nelken und mit Lorbeerblättern gewürzt. Ein paar Minuten unter Rühren schmoren, darauf mit heißer Brühe ablöschen. Das Ganze bei milder Hitze etwa 1 ½ Stunden oder länger leise köcheln lassen. Erst dann die abgeriebene Schale und den Saft einer unbehandelten Zitrone hinzufügen und mit Zwieback binden. Abschmecken! Eine gute Prise Zucker nicht vergessen! 

 Die Komposition aus Fleisch und Zwiebeln und den aromatisch-scharfen und fruchtigen Gewürzen schmeckt umwerfend gut! Das Gericht gleicht dem beliebten Irish Stew der Briten, ist aber anders verfeinert. Dazu Salzkartoffeln, ein paar saure Gürkchen und/oder Sauergemüse, und ein kühles Dortmunder Bier!

 


Was kam bei Marnachs auf den Tisch? 

Dortmund ist Metropole und größte Stadt Westfalens. Wie  das benachbarte Aplerbeck wird  auch Dortmund bereits um 900 n.Chr. urkundlich erwähnt. Dortmund war Hansestadt, Bierstadt (seit 1293 berechtigt Bier zu brauen), und im 19. Jahrhundert ein Zentrum der deutschen Stahlindustrie. Doch gibt es hier nicht nur Bier und Korn, Schinken, Pumpernickel und Pfefferpotthast, sondern eine große Vielfalt von Gerichten. ... (Übrigens spielt schon im Jahre 1378 eine Portion des oben beschriebenen "Pfefferpotthast" bei einer Stadtbelagerung Dortmunds eine schicksalhafte Rolle ...  in der Sage von der unglückseligen Agnes von Vierbeck.)

Suppen
Westfalen war ein ausgesprochenes "Suppenland", dagegen waren Vorspeisen mehr oder weniger unbedeutend. 

Die Rindfleischsuppe gehörte zu den beliebtesten sonntäglichen Vorsuppen.
Üppiger war die "Festtagssuppe" aus Suppenhuhn und einem guten Stück Rindfleisch samt Knochen, mit köstlichen Einlagen wie Porreeringen, Blumenkohlröschen, Erbsen, feingeschnittenen Möhren, Kohlrabistückchen, Selleriestreifen, Spargelstückchen, Petersilie, Markklößchen, Eierstich  ... oder Milchsuppe, ang
edickt mit Mehl, Nudeln oder Sago, verfeinert mit Rosinen, Zucker und Zimt, ... oder Brotsuppe, aus hartgewordenem alten Schwarzbrot und hellem Brot, mit Fleischbrühe gekocht oder süß mit Rosinen und Zitronenschale ... sie ist mir in erfreulicher Erinnerung aus meiner Kinderzeit, als man - anders als heute - noch gutes Brot kaufen konnte ... oder Biersuppe, aus Hellbier und Milch zu gleichen Teilen, Puddingpulver, Zucker, Eigelb, mit einer Haube aus Eierschnee ...

Gemüse
In einem Nutzgarten von etwa 2000 qm (siehe Foto im Kapitel "Elise, die treue Seele") zogen zwei Werksgärtner der Aplerbe
cker Hütte für meine Großeltern alle Arten von Gemüse. Ob Wirsing, Spinat, Dicke Bohnen, Kopfsalat, Endiviensalat, Fitzebohnen, Erbsen, Wurzeln und gelbe Böhnchen, Schwarzwurzeln und Rote Beete, Stielmus, Grünkohl ... ein Schlaraffenland. Es gibt zahllose Gemüse-Rezepte, für derbe Eintöpfe wie Erbsensuppe, Wirsinggemüse mit Mettwurst und Räucherspeck, Hohe Rippe mit Wurzelgemüse, Grünkohl mit Mettwürstchen und Schweinebauch, Schnibbelbohnen mit Speck, Deftiger Sauerkraut-Eintopf mit Kasselerkoteletts, Dicke Bohnen mit Speck. Oder für feinere Gerichte wie Wirsing mit Hackfleischfüllung, Schwarzwurzeln, Rotkohl mit Äpfeln in Rotweinessig, Sauerkraut mit Altbier.

Max berichtet aus seiner Kindheit in Aplerbeck:

"Im Herbst kamen die Kappesburen. Wir kauften eine Menge Weißkohl, den eine Kappesfrau mit ihrer Kappesschabe klein hobelte. Der Weißkohl wurde in Fässern zu Sauerkraut eingesalzen, desgleichen Stielmus und grüne Bohnen (Fitzebohnen, Schneidebohnen) in Steinguttöpfen."

Kartoffeln
Was wäre Westfalen ohne seine Kartoffeln? Angefangen bei den gelbmehligen duftenden Salzkartoffeln beim Pfefferpotthast, zu den knusprigen Bratkartoffeln mit Speck und Zwiebeln, serviert mit zartem gartenfrischen Kopfsalat in einer feinen westfälischen Sahnesoße mit Zucker und Zitrone, dem warmen Kartoffelsalat mit ausgebratenem Speck, bis hin zu den heißgeliebten Reibekuchen, von denen in dem "Allerheiligenbrief" dieser Geschichte erzäh
lt wird.


Fleisch & Co

Max berichtet w
eiter: "Das Fleisch wurde geliefert durch den Metzger SCHÖNEBERG aus Schüren. Der gekochte Schinken kostete damals 1,20 Mark das Pfund. Butter, Milch und Eier wurden vom Gut SCHULZE-SÖLDE täglich gebracht, es kostete die Wellenbutter 70 Pfennige das Pfund, die Eier 3 Pfennige das Stück. Die Kolonialwaren (Lebensmittel) bezogen wir vom Kaufmann KLAPPERT am Knapp."

Damit war der Sonntagsbraten gesichert, ebenso wie landschaftstypischen gulaschähnlichen Gerichte wie Schweinepfeffer und Pfefferpotthast, neben Salz und Pfeffer gewürzt mit Lorbeerblättern, Wacholderbeeren, Gewürznelken, Piment, und Zitrone oder einem Schuss Essig. Und die in Dortmund sicher beliebte "Bratwurst in Bier", in Butter angebraten, und in 1/2 Flasche Bier gegart. - Eier waren eine wichtige Zutat zu Kuchen, Nachspeisen, Mehlpfannkuchen, Reibekuchen und zu "Arme Ritter".


Nachtisch
Das Wort "Nachtisch" klingt eher bescheiden, verglichen mit "Dessert" oder Nachspeise. Es war auch wirklich meist nichts Aufwendiges: eingemachte Pflaumen oder Birnen, Dickmilch oder Reis mit Zimt und Zucker, Grießmehlpudding, Quark mit Kirschen oder Bratäpfel.
An Festtagen konnte es dann auch mal ein üppiger Pumpernickelquark sein, oder eine Hochzeitscreme aus Vanillepudding mit Sahne, gemahlenen Haselnüssen, Schokolade, Rum,  oder eine Weincreme.


Kuchen etc.

Die westfälische Bescheidenheit und Bodenständigkeit ("Man nimmt erst mal das, was man hat") galt auch fürs Kuchenbacken. Vergessen kann man hier mächtige Sahnetorten und Buttercreme-Kunstwerke. Der Apfelkuchen in zahllosen Varianten, die "Appeltate", auf einem Blech gebacken, war und ist das leckere Markenzeichen Westfalens, insbesondere Aplerbecks,  "wo die Apfelbäume am Bach stehen." -
Nach Allerheiligen fing dann das Spekulatius-Backen an. Das Gebäck wurde in Milchkannen luftdicht verstaut, bis es auf den Nikolaus-Teller kam... wenn noch was übrig war!


Pumpernickel

Und was ist nun das Geheimnis des westfälischen Pumpernickels? Zu Zeiten meiner Großeltern gab es ihn noch nicht in Scheiben geschnitten und in kleinen Päckchen handlich verpackt, sondern er lag ungeschnitten im Bäckerregal, in kiloschweren Laiben, gebacken aus Roggenschrot und Wasser. 24 Stunden lang blieb und bleibt er auch heute noch bei niedrigen Temperaturen zwischen 150 und 110 Grad im Backofen. Der Wasserdampf kann aus dem fest verschlossenen Ofen nicht entweichen, das Brot bekommt so keine K
ruste. Aber eine dunkle Farbe und den herzhaft-süßen Geschmack. Heute wie vor 100 Jahren ... Oder sogar schon vor mehr als 400 Jahren, wie uns die älteste Pumpernickel-Bäckerei der Welt berichtet?

 

 


verwendete Quelle: Westfalenkost, von Elisabeth Schulte Huxel und Werner Bockholt
Grafiken: Carolyn Vibbert

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