Der Zauberer
Mein Vater hatte schon am 1. Weltkrieg teilnehmen müssen, war verschüttet worden. Bei den berüchtigten Kämpfen vor Ypern in Belgien, wo Giftgas eingesetzt wurde. Das blieb immer eine traumatische Erinnerung für ihn.
Ich habe ihn im Gedächtnis als einen liebevollen sensiblen Menschen, der mir
aus Obstkisten eine Puppenstube bastelte und geschickt meinen Teddybären reparierte, als
der seine braungläsernen Knopfaugen verloren hatte. Papa schnitt aus weißem Baumwollstoff die elliptische Augenform zu, nähte sie auf und stickte mit Nähgarn dem Teddy die runde schwarze Augeniris
darauf.
Mein Vater konnte als einziger vorsichtig und mit Geduld meine langen
blonden Haare nach dem Waschen entwirren, ohne dass es Tränen gab. Und er beantwortete mit Ernsthaftigkeit meine nie endenwollenden kindlichen Fragen.
"Du fragst mir noch ein Loch in den Bauch", sagte er.
Dabei hatte er nicht das überlegene Gehabe vieler Erwachsener gegenüber Kindern. Er behandelte mich mit Respekt und war oft
voller Freude und Bewunderung für meine naiven Gedankengänge, genauso, wie ich heute Kindern gegenübertrete.
Foto
oben: Meine Eltern und ich, Pfingsten 1941
Mein Vetter Kai (rechts)
- wir werden ihm später noch begegnen -
damals 4 Jahre alt,
erinnert sich nach fast 60 Jahren
noch sehr lebhaft an meinen Vater,
seinen Patenonkel.
Kai
erzählt:
"Onkel Heinz konnte sich ganz tolle Spiele ausdenken. Unsere Arnsberger
Wohnung lag im Hochparterre und hatte zwei Ausgänge, einen zur Straße,
einen zum Hof.
Gerade hatte er noch in der Küche mit mir gesprochen,
da
kam er schon von draußen herein, (wie war er bloß dorthin
gekommen?) ...
verschwand wieder und winkte mir fröhlich aus dem Garten zu... plötzlich sah
ich ihn im Wohnzimmer, ...
Sekunden später rief er im Hof meinen Namen
.. und da war er wieder
in der Küche!
Er
muss blitzschnell aus der einen Tür hinaus und ums Haus gelaufen, flink ins Fenster geklettert, und dann wieder aus einem anderen hinausgesprungen und zur
anderen Tür hereingekommen sein.
Das Spiel war so lustig für
mich, für uns alle zwei! Ich schüttete mich aus vor Lachen, genau wie er auch. Wir beide
hatten ein ganz großes Vergnügen. Als Kind dachte ich damals: Er sagt es nicht. Aber
ich weiß es. Eigentlich ist er ein Zauberer."
Foto
oben: Der lustige Kai
darunter: Marlies bei fröhlichen Kinderspielen im Garten
Ein Grund für den frühen Tod meines Vaters mit 52 Jahren ( Ende 44 in Arnsberg, Sauerland) durch eine Krebserkrankung war sicher der unlösbare Konflikt zwischen dem Gesinnungsterror der Nazis, dem man nicht entkommen konnte ohne sich und die Seinen in Gefahr zu bringen, und seinem Wissen über die Unmenschlichkeit dieses Regimes, in dessen Diensten er stand.
"Er versuchte zu helfen, wo er konnte", sagte mir ein Freund, ein Juwelier aus GE, später. "Er war der einzige, dem ich erzählt habe,
dass ich in meinem Keller einen Juden versteckt hielt. Damit hatte ich
mein Leben in seine Hand gegeben. Er hätte mich nie an die Gestapo verraten." -
Das Nazi Regime
der anstreicher
hitler
hatte bis auf farbe nichts studiert
und als man ihn nun eben ranliess
da hat er alles angeschmiert.
ganz deutschland hat er angeschmiert. (Bert Brecht)
Die
Gestapo
war die
immerwährend lauernde Gefahr. Man konnte fast keinem Menschen mehr
trauen, nicht den Freunden, nicht der eigenen Familie. Irgendjemand konnte
dich wegen einer unbedachten Äußerung verpfeifen - denunzieren, um
Vorteile zu ergattern. Ein oft gehörter Spruch war: Der größte Lump
im ganzen Land das ist der Denunziant!
Die
Geheime Staatspolizei war die politische Polizei in
der Zeit des Nationalsozialismus und dessen zentrales innenpolitisches
Machtwerkzeug. Mit ihrer Hilfe wurden die politischen und
"rassischen" Gegner des totalitären Regimes verfolgt. Die
Gestapo agierte in einem rechtsfreien Raum. Willkürliche
Freiheitsentziehungen, Folterungen, Einweisungen in Konzentrationslager
und Morde waren ihre berüchtigten Methoden und machten die Männer in den
Ledermänteln zu gefürchteten Häschern. Das Internationale Nürnberger
Militärtribunal erklärte die Gestapo 1946 zur "verbrecherischen
Organisation".
Foto: http://www.technol.com.pl
»Die Suche«,
eine Comicgeschichte,
unter der Leitung des Anne Frank Hauses in
Amsterdam als Unterrichtsmaterial für Schülerinnen und Schüler
entwickelt.
arbeitslos ...
Gewalt und Propaganda aber auch außenpolitische
"Erfolge" und eine sich erholende Weltwirtschaft sicherten die
"nationale Revolution" ab. Hitler wollte den Krieg und bereitete
ihn durch Aufrüstung und den Kampf gegen die inneren Feinde der
Volksgemeinschaft vor.
Betroffen waren zunächst Kranke, nicht-arische Deutsche, deutsche
Juden und politische Gegner.
Die "Herrenrasse"
Der Begriff Herrenrasse war ein zentraler
Begriff im Nationalsozialismus. Innerhalb der Nazi-Ideologie wurde dieser
Begriff benutzt, um das eigene oder verwandte germanische und
"nordische" Volk -- als durch das "Blut" überlegen --
aus allen anderen Völkern herauszuheben.
Folglich bildete im Nationalsozialismus der blonde und blauäugige
"nordische" Mensch das Rassenideal, der als Vertreter der
"arischen Rasse" bezeichnet wurde. Die Rassengesetze verboten
1935 Ehen zwischen Juden und "Ariern".
Moderne Genetiker bekunden heutzutage öffentlich, dass sie eine
biologisch begründete Überlegenheit einer menschlichen "Rasse"
für unwahrscheinlich halten. (Wikipedia)
Die Novemberpogrome
Die Novemberpogrome 1938 , auch Reichskristallnacht
genannt, waren eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und
gelenkte Zerstörung von Leben, Eigentum und Einrichtungen der Juden im
gesamten Deutschen Reich. Dabei wurden vom 7. bis 13. November 1938 etwa
400 Menschen ermordet oder in den Tod getrieben. Ab dem 10. November
wurden
ungefähr 30.000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, wo nochmals
Hunderte ermordet wurden oder an den Haftfolgen starben. Fast alle
Synagogen und viele jüdische Friedhöfe in Deutschland und Österreich
wurden zerstört. (Wikipedia)
Holocaust und
Konzentrationslager
Die Pogrome markierten den Übergang von der
Diskriminierung und Ausgrenzung der deutschen Juden seit 1933 zur
systematischen Verfolgung, die knapp drei Jahre später in den Holocaust
an den europäischen Juden im Machtbereich der Nationalsozialisten mündete.
Alle 11 Mill. Juden in den besetzten Gebieten sollten sterben. (Wikipedia)
Nur wenige überlebten länger als 2 bis 3 Monate im
Arbeitslager.
In Auschwitz-Birkenau gab es mehrere Gaskammern.
Todesfuge von Paul Celan (1947), Auszüge
... der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith
(Margarete, das blonde "arische" Gretchen, wird
dem Mädchen Sulamith gegenübergestellt,
einer Gestalt des Alten -
jüdischen - Testamentes.)
Zwischen Oktober 1940 und Dezember 1944 deportierten
die Nazis auch mehr als 1 Mill. Kinder, wie man schätzt! Mit
Zügen der Reichsbahn in den Tod gefahren, mit dem bevorzugten Ziel
Auschwitz. Ihr Leben war kurz. Nur Namen in den Archiven, kaum Fotos oder
Briefe. Im Jahr 2008 fährt ein Zug durch Deutschland und sucht nach den
Spuren dieser Kinder. Der Zug der Erinnerung. Foto: http://www.zug-der-erinnerung.eu/ausstellung.html
6 Mill. Juden starben. Möglich war dies alles, weil der Gesellschaft Toleranz, Pluralismus, Menschlichkeit und Gewaltlosigkeit fremd
waren und man nur in wenigen Fällen die nötige
Zivilcourage hatte, zu widerstehen.
Zivilcourage
Dietrich Bonhoeffer (1906 - 1945),
war ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe, profilierter Vertreter der Bekennenden Kirche und
Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Dietrich Bonhoeffer wurde im bayerischen KZ Flossenbürg von den Nazis nach einem SS-Standgerichtsverfahren
ermordet.
Zitat
von Bonhoeffer, 1935
"Nur wer für die Juden
schreit, darf auch gregorianisch singen."
Gregorianik: lateinischer, feierlich-liturgischer Gesang der
katholischen Kirche
Foto und Text:
http://www.dadalos-d.org/deutsch/Vorbilder/Vorbilder/bonhoeffer
Foto: Das Konzentrationslager Auschwitz
http://www.dw-world.de
Hans und Sophie Scholl,
die Geschwister Scholl, wurden bekannt als Mitglieder der studentischen Gruppe
Weiße Rose, in München, die während des Zweiten Weltkriegs im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv war, insbesondere bei der Verbreitung von
Flugblättern gegen den Krieg und die Diktatur unter Adolf Hitler.
Das Geschwisterpaar Scholl
wurde am 18. Februar 1943 beim Auslegen von Flugblättern an der Münchner Universität von deren Hausmeister Jakob Schmid überrascht und bei der Gestapo denunziert. Bereits am 22. Februar 1943 wurden sie vom
Volksgerichtshof unter der Leitung von Roland Freisler zum Tode durch das
Fallbeil verurteilt und noch am selben Tage in München-Stadelheim hingerichtet.
Hans und Sophie Scholl gelten seit der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart als bedeutende Symbolgestalten eines an humanistischen Werten orientierten Widerstands gegen das totalitäre NS-Regime innerhalb Deutschlands.
nach http://de.wikipedia.org
Foto: http://www.gsi.uni-muenchen.de/images/scholl.jpg
Claus Schenk Graf v.
Stauffenberg gehörte mit seinem Bruder Berthold Schenk Graf von Stauffenberg zu den zentralen Figuren des militärischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus.
Am 20.Juli 1944 führte er persönlich das erfolglose
Attentat auf Adolf Hitler aus. Der damit eingeleitete Staatsstreichversuch (Operation Walküre) scheiterte am selben Tag.
Noch in der Nacht erging der Befehl der Nazis, Stauffenberg
und andere Beteiligte standrechtlich zu erschießen. Die Exekution fand um 00:15 Uhr im Hof des Bendlerblock statt. Stauffenberg letzte Worte sollen der Ausruf „Es lebe das heilige Deutschland” gewesen sein.
Die zunächst
von den Nazis ins Auge gefasste Blutrache wurde wieder verworfen und stattdessen eine umfangreiche
Sippenhaft durchgeführt. Die schwangere Ehefrau Stauffenbergs (Nina) wurde in ein
Konzentrationslager deportiert, wo 1945 das fünfte Kind der Familie, Constanze, zur Welt kam. Die Kinder wurden in ein Kinderheim bei Bad Sachsa
verbracht. Sie erhielten andere Nachnamen (die Stauffenberg-Kinder hießen ab sofort „Meister”) und verblieben dort bis zum Kriegsende.
nach http://de.wikipedia.org
Mail from the
USA
Ken O'Neal wrote:
Marlies
I had not heard of the July 20 Plot of 1944, but I'm aware that most German citizens did NOT
approve of the Nazi regime, but were powerless to do anything, as Hitler had disarmed
them.
Hi Ken,
Yes, people were disarmed. BUT in Germany people never had guns as a common tool, as it is a custom with you in USA. Germans usually were unarmed. Remember my father's PARABELLUM
gun from WW1! It was illegal, more or less the last resort being hidden for cases of catastrophe: defence or suicide.
The worst thing in Nazi regime was: the totalitarian regime. Every person, be man or woman, be child, was in the constant threat of being caught and killed by shooting, hanging, starving, especially in KONZENTRATIONS-LAGER. ... if you were not totally conform with Nazi-Ideology, if you were denunciated by anybody.
You really trusted no soul, not even your own family, your friends, your neighbours ... Remember my childish quotation (Feuerkraut!) towards the end of war: "A tasty beef broth is better for me than being greeted
with HEIL HITLER!" My father almost had a nervous breakdown by fear of our whole family being caught by the Nazis.
After the July 20 Plot of 1944 and Hitler living, a sweet old lady nextdoor to us mentioned: "Even bad guys have a guardian angel." She spent several months in KZ, was lucky, not being killed as thousands of people.
Liberty is essential, Liberty of speech, of thinking ... FREEDOM!
In Gelsenkichen a railway worker some weeks before war's end mentioned, reading on the trains the motto:
Räder müssen rollen für den Sieg ("Wheels must keep on
rolling for
our Victory!") like this: Naziköppe rollen nach dem Krieg ("Nazi
heads will roll after war!") He did not see the end of war.
A gloomy chapter of German history! Thank God you lived in a free country,
Ken!
Your friend in Germany.
Marlies
Ken O'Neal wrote:
Marlies,
Living through the War had to be a terrible thing, but thank God you made
it.
You are very lucky.
Ken
Mehr über die Nazi Gewaltherrschaft
1933-1945,
das dunkelste Kapitel der Gelsenkirchener Stadtgeschichte - www.gelsenzentrum.de
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