1939:"So pocht das Schicksal an die Tür"   
                          


 

"Es kann nur einer siegen ..."

 

 



Foto: Schon im Oktober 1939 war dieser Schützengraben in GE-Schalke "als Luftschutzübung" ausgehoben, im Schalker Kussweg an der Grenzstraße. 

 



An Hauswänden, Mauern, Eisenbahnwaggons standen Nazi-Parolen angeschrieben,... "Es kann nur einer siegen, und das sind wir!" und "Du bist nichts, dein Volk ist alles" und "Führer befiehl, wir folgen dir!" und "Räder müssen rollen für den Sieg!" - 

Anfang 45, der Krieg sollte nur noch ein paar Wochen dauern, ergänzte ein Bergmann diesen Spruch auf einer Kohlen-Lore. Da stand nun zu lesen: "Räder müssen rollen für den Sieg! Nazi-Köppe rollen nach dem Krieg!" - Es war noch zu früh für solch eine Prognose, auch wenn sie sich schon bald bewahrheiten sollte. Der Kumpel kam sofort ins KZ und erlebte das Kriegsende nicht mehr.


 



Grafik oben aus: Der 2. Weltkrieg
Verlag für geschichtliche Dokumentation, Hamburg

links: Der krummbeinige Kohlenklau sollte vor privater Energieverschwendung warnen. Nebensächlich war nun, ob  die Menschen einen warmen Ofen, eine helle Stube brauchten. Allein der "deutsche Endsieg" war entscheidend.

 


 

Nach dem so verhängnisvoll misslungenen Attentat auf Hitler (Rastenburg, Wolfsschanze, am 20. Juli 1944, 12,40 Uhr) gab eine alte Dame im Gespräch mit Nachbarn zu bedenken: "Alle Menschen haben einen Schutzengel, auch böse Menschen." Sie musste dafür viele Monate ins KZ. 

In unserem Bekanntenkreis war ein Mann, der war wegen ähnlicher unliebsamer Äußerungen ins Konzentrationslager gekommen war. (Übrigens kam man schon ins KZ, wenn man sich weigerte, eine Hakenkreuzflagge zu hissen.) Niemand erfuhr von ihm ein Sterbenswörtchen über seine Leiden, als er nach Kriegsende frei kam. "Fragt mich nicht danach! Ich kann darüber nicht sprechen", war seine immer wiederholte Antwort. Stundenlang stand er auf einer Ruhrbrücke und starrte stumm ins Wasser.

Ich erinnere mich an einen Sonntag, - 4 Jahre alt war ich damals etwa - als wir, mein Vater und ich, beide sonntäglich gekleidet, wie es früher üblich war, auf einem kleinen Spaziergang durch unsere feiertäglich stilles Stadtviertel an der Tür der Portierwohnung des Schalker Gymnasiums klingelten. Ich kannte niemanden, der dort wohnte. 

Ein Mann in den 30ern öffnete und ließ uns hinein. Mein Vater redete leise und eindringlich auf ihn ein, ja er beschwor ihn geradezu, seine Arbeit wieder aufzunehmen, weil er sonst schlimmste Schwierigkeiten bekomme. 

Mein Vater war beim Arbeitsamt Treuhänder, Dr. rer. pol. und Parteigenosse. (Ein Treuhänder saß an der Schnittstelle zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, deren beiderseitige Rechte er treuhänderisch verwaltete.) Deutlicher durfte er nicht werden. Ich weiß nicht, ob der Mann auf diesen Rat gehört hat, weiß nicht, ob ihm klar war, dass es um sein Leben ging. Bedeutete doch die Weigerung zu arbeiten im Krieg "Sabotage gegen den Endsieg", die mit dem Tod bestraft wurde. 

 

Foto: Das Schalker Gymnasium in der Schalker Straße vor seiner Zerstörung Anfang der 40er Jahre, ganz rechts im Anbau die Wohnung des Hausmeisters


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