1939: "So pocht das Schicksal an die Tür"


 

Feind hört mit!


September 1939, Gelsenkirchen, Ruhrgebiet. Ich war damals 3 Jahre alt, das kleine Mädchen Marlies. Da begann der 2. Weltkrieg. Und damit auch die totale Überwachung. An vielen Hauswänden klebten Plakate mit der Abbildung eines riesigen schwarzen Schattens und mit der Unterschrift: "Feind hört mit!" 
(Foto rechts)

Es war bei Todesstrafe verboten, den "Feindsender" BBC-London einzuschalten. Dort wurde recht objektiv über die Kriegslage, über deutsche Verluste, aber auch alliierte Verluste berichtet. Die Ruhris hörten trotz des Verbots zu, heimlich. 

Eröffnet wurden die Meldungen mit dem Vorspann "Germany calling!" Das wurde im "Kohlen-Pott" so übersetzt: "Schepp mir die Kohlen in!" Die Erkennungsmelodie war eine fallende Terz, gespielt von 2 dumpfen Pauken: bom bom bom/ bom . Genauso beginnt Beethovens 5. Sinfonie (Schicksalssinfonie). Sicherlich mit Bedacht ausgesucht für: Germany calling! Wir rufen Deutschland! "So pocht das Schicksal an die Tür", hat der Komponist angeblich über dieses Motiv gesagt. Echt sinnig ausgesucht hatten die Tommies das für uns! Ein augenzwinkernder britischer Witz für Insider ;-)  ... 

Der offizielle lokale Drahtfunk dagegen - er gab Warnungen über "feindliche Verbände im Anflug auf das Ruhrgebiet" - hatte einen Klang wie unermüdliches Pferdegetrappel, und hieß deshalb auch "der Trapper": trap-trap-trap-trap-trap-trap... Oder war es ein lauter Wecker, dicht vors Mikro gestellt? 

Bald darauf gab es endlose Diskussionen zu Hause, im Geschäft, in der Straßenbahn: wann wird der Krieg zuende gehen? Später dann: wann endlich wird die deutsche Wunderwaffe eingesetzt? Auf keinen Fall durfte man Zweifel am "Endsieg" äußern! Das war lebensgefährlich, konnte ins KZ und in den Tod führen. Wer wusste, wem er vertrauen konnte? Jeder konnte plaudern um seine Haut zu retten, konnte ein Spitzel der Nazis sein. 

So ist der Schrecken meines Vaters erklärlich, als ich den Spruch "Ein gutes Stück Fleisch in der Suppe ist mir lieber, als wenn mir ein Bauer guten Tag sagt." so abwandelte: " ..... als wenn mir einer Heil Hitler sagt." Ich war bestürzt über den väterlichen Zornesausbruch danach und über das Verbot, Sprüche dieser Art jemals wieder zu äußern. 


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