Please, do remember the 6th of
November!
So könnte man einen alten
englischen Reim abwandeln. Denn der
grauenhafteste Angriff auf Gelsenkirchen war an diesem 6. November
1944. Er ist
als schwarzer Tag in die Geschichte unserer Stadt eingegangen. 738
Bomber waren bei dem Großangriff im Anflug und legten ohne Unterschied
Industrieanlagen
wie auch Wohnviertel in Schutt und Asche. 518 Menschen kamen dabei um. Angesichts
der riesigen Bomber-Geschwader wäre die
Anzahl der Toten ohne die zahlreichen Luftschutz-Bunker auf unserem
Stadtgebiet - befestigte und abgestützte Keller,
Hochbunker in Form von riesigen Quadern oder runde Türme wie ein Zuckerhut -
sicher noch erheblich höher gewesen.
Foto aus Jörg Friedrich,
Brandstätten,
Propyläen Verlag
Bisher hatte gegolten "Amerikanische Tage, englische
Nächte",. Doch nun wurde der Bombenkrieg noch
erbarmungsloser. Bei "Battle of the Ruhr" ist zu lesen (http://www.hco.hagen.de/ruhr/2nd_battle.htm):
Tagangriffe durch britische Nachtbomber und "round-the-clock-bombing"
Seit August 1944 flog das (Britische) Bomber Command mit seinen schweren viermotorigen Nachtbombern vermehrt auch am Tage in das
Rhein-Ruhr-Gebiet ein. Der Masseneinsatz von leistungsstarken Begleitschutzjägern sowie die geschwächte deutsche Luftverteidigung am Boden und - trotz des Einsatzes von modernen Düsen- und Raketenjägern - auch in der Luft, ermöglichten diese Entwicklung.
Bevorzugte Ziele der britischen Tagangriffe waren Eisenbahnanlagen, Hydrierwerke sowie vor allem Großkokereien mit angegliederten Betrieben zur Herstellung von Benzol und anderen chemischen Produkten für die
Sprengstoffherstellung.
Aber auch Flächenangriffe auf Stadtgebiete wurden vom Bomber Command jetzt zunehmend auch am Tage durchgeführt. Gleichzeitig verstärkte die amerikanische 8.
US-Luftflotte ebenfalls ihre Tagangriffe, nunmehr besonders auf den westdeutschen Raum. Dadurch ergab sich ein
"round-the-clock-bombing", in dem sich britische Tag- und Nachtangriffe mit amerikanischen Bombardierungen ausschließlich am Tag abwechselten.
6.
November 1944, Gelsenkirchen
60 Jahre später, am 6.November 2004,
erinnert die WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) an
den großen Angriff auf Gelsenkirchen:
Die meisten Menschen saßen beim Mittagessen. Es war der 6. November
1944, ein Montag, kurz vor 14 Uhr. Der Drahtfunk meldete "starke feindliche Bomberverbände auf dem Anflug auf
Gelsenkirchen". Nur Sekunden später: Sirenengeheul. Um genau 13.47 Uhr
war der Fliegeralarm ausgelöst worden. (...)
Durch die Funkmeldungen aufgeschreckt, ließen die Bürger alles stehen und liegen und rannten in Bunker und Luftschutzräume. "Kaum dort angekommen, fielen auch schon die ersten Bomben" - so steht es in der Chronik der Stadt zu lesen. Spreng- und Brandbomben folgten. Es war der schwerste Bombenangriff des Zweiten Weltkriegs.
Sofort zu Beginn des Angriffs durch die britische Luftwaffe brach die gesamte Gas- und Stromversorgung zusammen. Die Folge: Es gab keine Luftschutzsignale mehr, und der Funkmelde- und Warndienst war ebenfalls "tot". Mit den Einschlägen war auch die Wasserversorgung zerstört worden, so dass an ein Löschen nicht zu denken war.
Die Bombardierung an jenem Montagmittag dauerte 48 Minuten. In dieser Zeit haben die Briten 6460 Spreng- und 167 131 Brandbomben abgeworfen - vornehmlich auf Alt-Gelsenkirchen. "70 744 Wohnungen in 17 880 Häusern wurden in Schutt und Asche gelegt", haben die Statistiker der Stadt später errechnet.
"Es war ganz furchtbar, überall in den Trümmern lagen Tote" - die 74 Jahre alte Gelsenkirchenerin hält auch jetzt, 60 Jahre nach den "schrecklichen Geschehnissen", ihre Tränen nicht zurück. Ihren Namen möchte sie nicht veröffentlicht wissen.
"Den Tag werde ich im Leben nicht vergessen", versichert die Frau. Sie hat am 6. November 1944 viele ihrer Verwandten, Freundinnen, Freunde, Klassenkameraden verloren. Sie war damals fast noch ein Kind.
Als der "Spuk" nach einer knappen Stunde vorbei war, wagten sich die ersten Menschen aus den Luftschutzbunkern auf die Straßen. Ihnen bot sich ein Bild der Verwüstung: Trümmer überall, an vielen Stellen stieg noch dunkler Rauch auf. Dieser Satz fällt der 74-Jährigen besonders schwer:
"In der ganzen Stadt stank es nach verbranntem Fleisch, ganz furchtbar."
In "schrecklicher Erinnerung" haben viele Gelsenkirchener auch den Abend des 6. November 1944: Um 19.25 Uhr flogen die Briten erneut einen
Angriff. Er trieb die Menschen wieder in Bunker und die Luftschutzräume. Wieder gab es viele Zerstörungen, wieder gab es viele Tote. Auch dieser Angriff hatte augenscheinlich ausschließlich Alt-Gelsenkirchen gegolten. Wie schon am Morgen waren Schalke, die Altstadt, Bulmke und Hüllen auch am Abend am schlimmsten betroffen. Dort standen
nur noch wenige Häuser unversehrt (...)
Allein an jenem 6. November starben im Stadtgebiet 518 Bürgerinnen und Bürger bei den beiden größten Luftangriffen, die die Stadt heimgesucht haben. Bis zum Kriegsende waren in Gelsenkirchen mehr als 3000 Menschen Opfer geworden. Für die Stadt wurde ein so genannter Gesamtzerstörungsgrad von 51 Prozent errechnet, heißt es in einer Chronik der Stadt. Die Trümmermenge wurde seinerzeit auf über drei Millionen Kubikmeter geschätzt.
05.11.2004 Von Doris Justen-Ehmann
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Die Royal
Air Force meldet:
6.
November 1944,
Gelsenkirchen:
738 Flugzeuge, - 383 Halifax, 324 Lancaster, 31 Mosquitos.
Verluste: 3 Lancaster und 2 Halifax.
Das Ziel dieses Tages-Großangriffs war
"the Nordstern synthetic-oil plant",
(vermutlich die beiden großen Hydrieranlagen
an der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen-Scholven und -Horst, heute Veba-Öl).
Der Angriff
war nicht so zielgenau wie geplant. Aber 514 Maschinen konnten das Areal
und die Umgebung des Treibstoff-Werkes bombardieren,
bevor der aufsteigende Rauch die Bodensicht vernebelte. Die nachfolgenden 187 Maschinen
warfen Bomben auf das gesamte Stadtgebiet von Gelsenkirchen.
So ist dieser Tag in den Tagebuchaufzeichnungen der RAF (Royal
Air Force = Königlich Britische Luftwaffe) registriert. Quelle: http://www.raf.mod.uk/bombercommand/diary/nov44.html
Avro
Lancaster
4motoriger 7sitziger schwerer
Bomber der Briten,
gilt als bester schwerer Bomber Großbritanniens,
eine der stärksten
Waffen der Alliierten.
De Havilland Mosquito
2motoriger 2sitziger Jagdbomber,
"Sperrholzbomber",
hohe Geschwindigkeit und keine Abwehrwaffen.
Handly
Page Halifax
4motoriger 7sitziger schwerer
Fernbomber, war neben Lancaster der zweite 4motorige Bomber im Dienst der
RAF. Foto www.lancastermuseum.ca
Der Feuersturm
Die Royal Air Force hatte die Angriffe eingehend
studiert. Die Ergebnisse
sollten für die deutschen Städte verheerende Folgen haben, wie Militärhistoriker Overy Richard erklärt: "Sie erkannten, dass Sprengbomben allein nicht ausreichten, um eine Stadt zu zerstören. Man musste sie mit Brandbomben kombinieren.
Das Zerstörerische waren nicht
die Sprengbomben - es war das Feuer." Etwa eine halbe Million Menschen verloren in Deutschland bis 1945 durch Bombenangriffe ihr Leben.
Aus: Der Feuersturm http://www.zdf.de/
"Die Fahrzeuge der Feuerwehr blieben im kochenden Asphalt stecken. Explodierten. Die Flammen waren wie brüllender Sturm." ... "Wir bargen die Toten in Zinkbadewannen und Waschkesseln. In einen Kessel passten drei, in eine Wanne sieben oder acht Körper." ...
Zitat und Foto
"Hamburg, August 1943" aus:
Jörg Friedrich, Brandstätten, Propyläen Verlag
Wir waren an diesem unheilvollen 6. November 1944 im Sauerland. Aber
meine Patentante, meine liebe Tante Else musste sterben. Sie
war bei dem Großangriff auf Gelsenkirchen im Luftschutzkeller ihres
Hauses verschüttet worden, zusammen mit ihrem Ehemann und anderen Hausbewohnern. Alle konnten herausgeholt werden. Nur sie war eingeklemmt
und die Rettungsmannschaften konnten sie nicht rechtzeitig bergen. Phosphor
lief in den Keller und sie verbrannte. Ihre kleine, vom Feuer verkohlte,
eingeschrumpfte, verdorrte Leiche wurde später in einer Schubkarre eilig in einer Ruhepause zwischen den
Angriffen zum nahe gelegenen Friedhof an der Kirchstraße gekarrt und dort
irgendwann hastig bestattet.
Die Stadt Gelsenkirchen war als eines der Zentren
der Kriegswirtschaft das Ziel mehrerer schwerer Bombenangriffe der Alliierten. Allein
beim Großangriff vom 6. November 1944 starben 518 Menschen. Insgesamt
forderte der Luftkrieg hier 3.092 Todesopfer, drei Viertel der Stadt wurden
zerstört. Alle diese unschuldigen Opfer haben es verdient, dass die Welt von ihnen erfährt, zumal wir
im Ausland oft immer noch ohne Unterschied als Krauts, Huns oder Nazis gesehen
werden ... und dabei selbst so schrecklich leiden mussten, wir Kinder ohne
Kindheit, Frauen, Männer, alte Menschen ... Wer es nicht miterlebt hat, kann es
sich kaum vorstellen.
Im 2. Weltkrieg waren die
Phosphor-Kanister berüchtigt. Diese Phosphor-Brandbomben explodierten und
verspritzten Phosphor, eine weiß-gelbliche klebrige, zäh anhaftende Masse mit
Knoblauchgeruch. Selbst kleine Spritzer verursachten grausame, schlecht heilende Verbrennungen auf der Haut.
Der verheerende Brand durch Phosphor-Bomben - bei der Verbrennung entwickelt der weiße Phosphor eine Temperatur bis
1300 Grad Celsius - war kaum zu löschen.
Zum Löschen selbstentzündender
(hypergoler)
Brandmittel wie Phosphor und Napalm muss unbedingt der Zutritt des Luftsauerstoffs unterbunden werden, indem
man sie mit einer Schicht Erde oder Sand gut abdeckt.
Sie entzünden sich nämlich immer wieder von neuem spontan an der Luft oder auch beim Zutritt von Wasser. Es entstehen hochgiftige Dämpfe, die Verletzten haben
dadurch keine Sicht mehr, können nicht atmen und erleiden furchtbare Verbrennungen.
So gesehen waren die
entsetzlichen Phosphorkanister Vorläufer
der noch entsetzlicheren Napalmbomben.
Abb.: Straßenszene bei einem Nachtangriff in Gelsenkirchen, November 1944
Foto: www.historisches-centrum.de
Foto Aschleichen aus:
Jörg Friedrich, Brandstätten,
Propyläen Verlag
Augenzeugen berichten von
diesen Angriffen, die um so mehr Unheil anrichteten, da zuerst gezielt
Luftminen die Dächer der Häuser zerstört hatten, so dass die dann nachfolgenden
Phosphorbomben einen wahren Feuersturm auslösen
konnten (wie bei den berüchtigten Bombardements auf Hamburg und Dresden).
Durch seinen gewaltigen Luftsog wurden sogar Menschen aus benachbarten Straßen ins Verderben gerissen, sie mussten qualvoll verbrennen; von manchen blieb noch ein Häufchen Asche übrig, von anderen fand man garnichts mehr.
"Aschleichen, d.h. Leichen, die nur noch aus
geringen erkennbaren Teilen, einigen wenigen Knochen, oder nur aus Asche mit
letzten Körperresten bestanden. Sehr viele Keller enthielten nur
Aschleichen." (Anatom Prof. Gräff)
Zitat aus: Jörg Friedrich, Brandstätten, Propyläen Verlag
Luftkriege und Moral bombing
Die Churchill-Regierung, hatte gleich nach ihrer
Regierungsübernahme entschieden, den Bombenkrieg auf das Nichtkampfgebiet
auszudehnen. Dies wurde als „moral bombing“ bezeichnet. Der
Anfang 1942 erteilte Befehl Churchills befahl, dass die Einsätze auf die
Moral der feindlichen Zivilbevölkerung zu konzentrieren seien –
insbesondere auf die der Industriearbeiter („Operations should now be
focussed on the morale of the enemy civilian population and in particular,
the industrial workers.”). - Als „Bomber-Harris“ die Führung
des Bomber Command übernahm, entwickelte er den Plan zu einem
Tausend-Bomber-Angriff mittels eines Bomberstroms, der die Wirkung auf das
Ziel maximieren sollte.
Die Frage, ob es legitim sei, eine Zivilbevölkerung im
Krieg zu bombardieren, war lange Zeit umstritten. Heute gilt ein solches
Vorgehen allgemein als Kriegsverbrechen. (Wikipedia)
Aus einem Spiegel-Interview mit dem
britischen Historiker Frederick Taylor, im Februar 2005, 60 Jahre nach der
Bombardierung Dresdens.
Luftkrieg an sich ist moralisch sehr dubios. Es
ist die dubioseste Form der Kriegsführung. (...) Luftkriege haben immer etwas Faschistoides - man sieht die Person nicht,
die man bombardiert, tötet oder verletzt. Der Luftkrieg war wahrscheinlich der einzige
Teil des Krieges, in dem die Alliierten mithalten konnten
mit den
Achsenmächten ( Nazi-Deutschland und seine Verbündeten) , was die
Unbarmherzigkeit der Kriegsführung angeht. Aber das ist jetzt 60 Jahre her,
und die meisten Beteiligten sind tot. Wir sollten jetzt nicht anfangen, mit
den Fingern aufeinander zu zeigen.
Alle Seiten bombardierten im Krieg die Städte des anderen. Eine halbe Million Sowjetbürger starben in den Bombenangriffen der Deutschen, während
der Invasion und der Besetzung Russlands. Das entspricht ungefähr der Anzahl der Deutschen, die bei den Angriffen der Alliierten umkamen.
(...)
"Wer hat die Toten gezählt? Hitler oder Goebbels - wohl keiner von beiden.
(...)" So steht es in den Flugblättern der Gruppe
um die Geschwister Scholl, Hans, der 24 jährig, und Sophie, die 21 jährig
von den Nazis hingerichtet wurden. Die "Weiße
Rose" zeugt davon, daß es auch im Dritten Reich Menschen gab, die unter Einsatz ihres Lebens sich weigerten, mitschuldig zu
werden. Gemessen am Ziel, die NS-Diktatur zu stürzen, ist die "Weiße Rose" - wie alle anderen Widerstandsaktivitäten gegen das Dritte Reich auch - gescheitert. Einig waren sie sich darin, daß das künftige Europa demokratisch und in enger Zusammenarbeit der Völker aufgebaut werden muß.
aus: http://www.shoa.de/weisse_rose.html
"Ihr werdet in die Geschichte eingehen, es gibt noch eine
Gerechtigkeit."
Ausspruch des Vaters der Geschwister Scholl, zitiert nach Inge Aicher-Scholl, Schwester von Hans und Sophie Scholl, die jene "letzte Stunde" vor der Hinrichtung beschreibt, den Abschied der Eltern von ihren Kindern. -
Bundeskanzler Gerhard Schröder wies 60 Jahre nach Kriegsende hin auf "Schuld und Verantwortung, die Nazi-Deutschland für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges,
für Vernichtung und Terror
hatte".
Mehr über die Nazi Gewaltherrschaft
1933-1945,
das dunkelste Kapitel der Gelsenkirchener Stadtgeschichte - www.gelsenzentrum.de
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