und was wir schwarz auf weiß hatten ... |
War Paul ein Sozi?Eindeutig: ja! Er gehörte zu den "vaterlandslosen Gesellen", wie die Sozialisten oft genannt wurden. In der Kaiserzeit galt "die perfide Verquickung, ja Gleichsetzung von Sittenlosigkeit und sozialdemokratischen (vielleicht auch sozialen?) Neigungen ... " "Paul ging aus politischen Gründen nach Amerika", kramen die Älteren unserer Familie aus ihrer Erinnerung hervor. "Paul war ein Revoluzzer!" "Verführung zu politischen Umtrieben ist der Anfang vom Ende. Die Neigung, womöglich doch mehr haben zu wollen, als die kapitalistische Ordnung an Hungergehalt zugesteht, ist sittenwidrig, umstürzlerisch und damit der Anfang vom Ende. Ein tüchtiger Arbeiter ist der, der zufrieden vor sich hinhungert." (Gert Richter: Die gute alte Zeit im Bild, Bertelsmann Lexikon Verlag 1974) Dass seine berechtigten Bedürfnisse nach Entspannung und geistiger Beschäftigung für ihn unerschwinglich sind ... das ist sowieso gottgegeben. Der Kaiser "von Gottes Gnaden"
bestimmte gemeinsam mit der Kirche - seinerzeit war es eher die
protestantische - die
gesellschaftlichen Hierarchien und ihre Rechte ... und Rechtlosigkeiten.
Mit Wilhelm des II. Gottesgnadentum waren Hunderte
von Prozessen wegen Majestätsbeleidigung (500-600 im Jahr) verbunden.
"Für einen Witz ein Jahr Gefängnis, für ne Erzählung anderthalb Jahr ..." sagt ein Spottvers auf das wilhelminische Zeitalter. Hatte
Paul etwa einen solchen Prozess zu befürchten? Zu einer Abordnung streikender Bergleute - einer
von ihnen war der Sölder Bergmann August Siegel (siehe unten Streik
an der Ruhr) - äußerte sich der
Kaiser so: "Sollte sich der Zusammenhang der Bewegung mit
socialdemokratischen Kreisen herausstellen ... Für mich ist jeder
Socialdemokrat gleichbedeutend mit Reichs- und Vaterlandsfeind." An
anderer Stelle: "Erst die Sozialisten abschießen, köpfen und unschädlich
machen - wenn nötig, per Blutbad!" (Reden des Kaisers, dtv, 1977) So könnte es gewesen sein. Dass Paul wegen seiner Solidarität mit sozial Schwachen auswandern musste. Obwohl ... zugegeben ... der Knüppel im Genick war nicht sehr zartfühlend. Im Jahr 2005 berichtet die Tageszeitung WAZ: Streik an der Ruhr Der Streik endete, weil die Gewerkschaftskassen leer waren. Er endete auch, weil, wie es damals hieß, "am Herrenstandpunkt" der Bergwerksbesitzer vorerst doch nichts zu ändern sei.
(...)
Dass sich ein revierweiter Streik entwickelte, das lag allein an der Halsstarrigkeit der Bergwerksbesitzer. Es war vor allem der alte Stinnes, der sich jeder Verhandlung, jeglicher Vermittlung verschloss. Ob
Minimallohn, Achtstundentag, Beseitigung des Wagennullens (Nichtanerkennung der Förderung wegen angeblich schlechter Kohle
war eine besondere Schikane), Einführung von Arbeiterausschüssen und Grubenkontrolleuren - die Arbeitgeber ließen sich auf nichts ein. Sie fühlten sich stark. Nicht so stark fühlte sich die Regierung. In der Öffentlichkeit galten die Beschwerden der Bergarbeiter als berechtigt.
(...)
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