Hier kommt Paul MARNACH (15) gerade heim "von der Jagd", wie er schreibt. Neben ihm sitzt sein treuer Dackel Waldmann. Die Postkarte von 1904 ist adressiert an seinen Freund Martin vom Merbeck, in Westrich / Merklinde. In der tiefsten Kaiserzeit schon heißt Pauls Motto: "Blut muss fließen, Knüppel in't Genick! Deutschland wird 'ne Republik." Das ist für die braven Wähler von "Zentrum" und für die Leser der "Tremonia" im eher konservativen Aplerbeck eine Horrorvision, so, als gehörte heute jemand irgendeiner anarchischen linksextremistischen Gruppierung an.
Paul schreibt seiner Mutter einen Brief: "Ich bin Dienstag mit Papas Erlaubnis zum Olympia gewesen. Es wurde dort eine großartige Foxendressur vorgeführt, mit der Schnipp nicht konkurieren konnte!"(sic!) Er ist ein großer Tierfreund: sorgt für die Hühner der Familie, lässt sie in den Garten spazieren, füttert die Tauben, und umhegt ganz besonders die Hunde, mögen sie Trapp, Waldmann, Schnipp oder Murphy heißen. Vor allem ist er stolz auf seinen Foxterrier Schnipp. Seine Kunststücke vergleicht er gern mit Hundedressuren, die er im Zirkus gesehen hat: Der künstlerisch begabte "kleine linke Exzentriker", wird später Architekt und wandert 23-jährig in "das weite Land", die USA, nach Pennsylvania aus, wo sich viele Deutsche ansiedelten. Er arbeitet in der Umgebung von Pittsburgh ("Smoke City"), in einer Gegend, die mit ihren nahen Kohle- und Eisenvorkommen und ihren Hütten ("Steel-Mills", übersetzt "Stahlmühlen") stark an seine Heimat erinnert. In einem kleinen Ort namens Owensdale in Pennsylvania stirbt er im Dezember 1914 - ein Jahr später als seine Mutter. Er erliegt einer Lungenentzündung, die er sich bei einer Autofahrt geholt hat und die vor der Entdeckung des Penicillin lebensgefährlich ist. Er wird nur 25 Jahre alt. Einer meiner Enkel heißt aus mancherlei Gründen, aber auch zu seinem Andenken, "Paulchen". Die Taufe von Paulchen...
Geschichten von Paul und Paulchen
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