Keltisches Christentum
Leben, zum Leben gegeben
Der endlose Knoten, celtic knotwork
"Wenn du den Schöpfer verstehen willst, musst du
zuerst die Schöpfung verstehen." Heiliger Columba (Columcille,
Schottland, 6. Jh)
Weil wir nicht imstande sind, Gott abzubilden, führen uns die keltischen Ornamente
auf einen Weg der Meditation, um ihm näher zu kommen. Wir können ihre rätselhaften Linien betrachten. Die verschlungenen
Muster sagen uns, dass alles Dasein miteinander verwoben ist. Ihre
Kreise und Spiralen haben weder Anfang noch Ende, so wie Gott ewig ist.
Sie haben einen inneren Rhythmus, so wie auch die Jahreszeiten, der
Mond und das Meer ein Auf und Ab kennen, ein immerwährendes Wachsen
und Schwinden und wieder Wachsen, ewig wie das Leben selbst. Diese Flechtwerk-Ornamente
(engl. knotwork) verbinden menschliche Wesen, Schlangen, Fische,
Vierbeiner, Vögel, Engel, Pflanzen und Gestirne zu einer alles umfassenden Schöpfung. Sie zeigen uns eine gewaltige spirituelle Welt.
Das Gralloch-Gebet
Abb. von
Courtney Davies
nach dem Kessel von Gundestrup,
Dänemark,
ca 100 v. Chr.
ist ein Ausdruck für die keltische Ehrfurcht vor dem Leben.
"Das Gralloch-Gebet hatte man ihm beigebracht, als er in den
schottischen Highlands als Junge das Jagen lernte. Es war alt, sehr viel
älter als die römisch-katholische Kirche, in einer uralten Zunge, die
aus den Tagen der Nordmänner überliefert war. . . einige der Worte
waren nicht mehr gebräuchlich. Man musste es über jedem getöteten
Tier sprechen, das größer als ein Hase war ... "
O Herr, segne das Blut und das Fleisch dieser
Kreatur,
die du mir geschenkt hast.
Von deiner Hand erschaffen,
wie du den Menschen erschaffen hast.
Leben, zum Leben gegeben.
Dass ich und die Meinen essen können,
voll Dank für das Geschenk.
Dass ich und die Meinen dir danken können
für dein eigenes Opfer von Blut und Fleisch,
Leben, zum Leben gegeben.
(nach Diana Gabaldon, "Der Ruf der Trommel")
Das Kreuz im Sonnenkreis
Das Keltische Kreuz war immer ein Zeichen des
Lebens, eine
Ermutigung zu spirituellem Denken, ein Kreuz im Sonnenkreis, ein kosmisches Symbol. Die Kelten waren
die einzigen Christen, die die allmähliche Umdeutung dieses
Lebenssymbols zum lateinischen (römischen) Kreuz als dem Kreuz des Leidens und
des Todes nicht mitmachten. (In der römischen Kirche z.B. gibt es seit dem 5. Jahrhundert
das Kreuz mit dem Gekreuzigten , später auch Grabkreuze,
Kreuze auf Todesanzeigen, ein Kreuz + als Kürzel für "gestorben"). Keltische Kreuze sind Zeichen an heiligen
Orten in der Natur, an Stätten des
Gebetes. Die keltischen Mönche feierten nämlich in druidischer Tradition
ihre Gottesdienste an heiligen Quellen, in kleinen Wäldchen, auf
Lichtungen.
Heute finden sie viele Freunde wegen ihrer angeborenen Achtung vor der
Schöpfung.
Leben am Rande der Welt
Keltische Christen sahen ihren geistigen Beistand nicht
in Petrus, sondern in Johannes, dem "geliebten Jünger Jesu"
... Die keltische Kirche brachte Liebe, die römische Kirche
Gesetze,
sagt ein Sprichwort. Sie waren stark, weil sie ein Leben in äußerster
Einfachheit und Armut führten, das sie ganz dem Wirken für ihre Mitmenschen
widmeten. Ihr Christentum war eher am häuslichen
Herd beheimatet als in der Kirche. Sie feierten Gott bei ihren niederen
alltäglichen Arbeiten. Die keltische Kirche war arm an materiellen
Gütern, aber reich an Spiritualität (Geistiges Leben).
Viele Stätten keltischen Christentums liegen am Rande der Welt: Iona,
Withorn (Abb. links) Lindisfarne, Whitby ... Von da aus hat man einen freien weiten Blick. Der Weg
vom Rand in die bequeme Mitte bringt dagegen meist auch den Niedergang. Viele Erneuerer
kamen aus Randgruppen. Auch Jesus von Nazaret gehörte nicht zum
Establishment.
Text nach Martin Wallace, keltischer Kanoniker,
"Celtic Reflections"
und Hans Gsänger, "Die Irischen Hochkreuze"
Abb.: Courtney Davies
<Litany of Dunkeld
Keltische Heilige>
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