Der Exodus der Marnachs 


Parzival im Außenklo

So ging es zu auf dem Kontinent damals

Nach "Spiegel-online: Parzival im Außenklo", März 2003, gekürzt

Alles begann mit der großen Zeitenwende. Um das Jahr 1000 verlor das Kurzschwert (Zentralwaffe der Antike) stark an Bedeutung. Die Volksheere der freien Bauern verschwanden. Ein neuer Kriegertyp trat auf: hoch zu Ross, mit langem Schwert und gepanzertem Leib. 

Abb.:  Langschwert

Anfangs dienten Kettenhemden als Schutz. Bis zu den Füßen hinab fielen die schweren Brünnen. Um 1100 kam die Lanze hinzu. Sie bestand in der Regel aus Eschenholz, besaß vorn eine Stahlspitze und maß etwa vier Meter in der Länge.

Mit diesen Stangen vollführten die Gepanzerten ihre gefürchteten Stoßangriffe. Mit 30, 50 und mehr Pferden stellten sie sich im Pulk auf. Erst im Schritt, dann im Arbeitsgalopp hoben sie ihre Lanzen und krachten mit Wucht in die Gegner. Erst zum Schluss, im Nahkampf, kam das Schwert zum Einsatz.


 Nicht alle hielten sich an dieses Ethos. Fieses Fußvolk wehrte sich mit Streitkolben und langen Piksern, den Hellebarden. Andere setzten Haken ein, um die Blechfürsten aus dem Sattel zu kegeln. Frevler griffen gar zu der (vom Papst 1139 geächteten) Armbrust.

Der Adel reagierte mit immer schwererem Metallschutz. Um 1200 kamen Kübelhelme in Mode, klobig wie Taucherglocken. Bald danach gelang es Schmieden in Augsburg, Innsbruck und Landshut, Platten mit Scharnieren zu verbinden. Geboren war der Soldat als eisernes Reptil.

Solche stählernen Burschen brachten leicht drei Zentner auf die Waage. Nur sehr stämmige Tiere konnten sie tragen. Gute Streitrösser kosteten 25-mal mehr als ein normales Pferd. Zum Einsatz kamen fast ausschließlich Hengste - Stuten und Wallache galten als zu schreckhaft.

 


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Abb.: Schlacht bei Crecy (Frankreich) zwischen Franzosen (links) und Engländern, 1346

Gefahr drohte den Gepanzerten nur noch durch Pfeile und Armbrustbolzen. 1346 in der Schlacht von Crécy setzten die Engländer Langbögen ein. Bis zum Ohr spannten die Verbände ihre 1,80 Meter langen Flitzewaffen. Geschulte Kämpfer konnten pro Minute sechs Pfeile absenden und 350 Meter entfernte Ziele treffen. So starben in Crécy 4000 gallische Ritter.... unter ihnen auch Johann der Blinde, Landesherr von Luxemburg 
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Doch die Ausbildung der Bogenschützen war teuer. Jahrelang mussten sie die ballistischen Kurven ihrer Geschosse einüben. Im Krieg aber standen sie schutzlos auf dem Feld der Ehre und konnten leicht niedergemäht werden.

So blieben die Ritter bis weit ins 16. Jahrhundert "Rückhalt der Heere" (Schlunk). Metallisch rumpelnd wie moderne Kampfroboter triumphierten sie auf allen Schauplätzen zwischen Wales und Antiochia.



Am Ackerbau hatte der Adel kaum Interesse, er ging lieber jagen. Die Ritterschaft der Auvergne verzehrte 100 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Bauern mussten sich mit 26 Kilogramm begnügen.

Allerdings lebten nicht alle Ritter in Saus. Viele kleinadlige Dienstmänner saßen in Holzburgen oder muffigen Wohntürmen. Funde zeigen, dass der Niederadel sauren Wein mit Honig trank und zähes Rindfleisch von alten Zugtieren aß. "Bei mir haben selbst die Mäuse keinen Grund zum Feiern", notierte der Poet und Burgenchef Wolfram von Eschenbach.



 

 

 

 

 

 

 

 

Auch die Hygiene ließ zu wünschen übrig. Von "Abort-Erkern" aus erleichterten sich Kunibert und Co. Die Fäkalien sausten die Burgwand herab, jeder konnte zuschauen. Zwar kam der Adel auf den Kreuzzügen mit Zahnbürsten und parfümierter Seife in Kontakt. Doch die wurden daheim kaum benutzt.

Der Grund: Der Adel hatte Probleme mit dem Wasser. Im 11. und 12. Jahrhundert entstanden in Deutschland Hunderte von Wehrbauten auf Höhenrücken. Um an Quellen zu gelangen, bohrte der Besitzer der Festung Königstein in Sachsen einen über 140 Meter tiefen Brunnen. Andere aber begnügten sich mit Zisternen oder ließen das Frischnass mit Eseln aus dem Tal holen.

Abb.: Eifelburgen


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