1940-45: Bombenterror


 

Die Lady hält nichts von "Compassion". . .


Die Hungersnot war schlimm: alles war rationiert, vieles gab es nicht. Auf Schokolade, Orangen und Bananen zu verzichten ist nicht angenehm. Aber wenn man sie nicht kennt wie ich, ... was soll's! Hunger tut weh, das stimmt. Manchmal macht Hunger die Menschen auch krank, vor allem die Kinder. Wir waren echte Elendsgestalten, mit hageren großäugigen Gesichtern. Viele sind verhungert. 

Nach Kriegsende wurde es noch schlechter. Damals erinnerte sich meine Mutter daran, daß mein verstorbener Vater in seiner Studienzeit eine Schreibfreundin in den USA gehabt hatte mit Namen Beryl Cone. In Oskaloosa, Iowa. Wir hatten ein Foto von ihr aus ihrer Universitätszeit. Vielleicht würde sie uns etwas Essbares zukommen lassen.

 Ich suchte also meine damals sehr kümmerlichen Englisch-Vokabeln zusammen, um ihr in einem Brief unsere Situation zu schildern. Entweder war mein Englisch so schlecht, oder die Lady hielt nichts von "compassion". 

Zwar fand der Briefträger ihre Adresse. Sie hatte nämlich geheiratet, aber ihren Mädchennamen weitergeführt und war in Oskaloosa wohnen geblieben, wo sie die Universität besucht hatte. Ihre Antwort bestand aber leider nicht in einem nahrhaften Paket aus dem Schlaraffenland USA. 

Sie schickte uns einen dünnen Brief, in dem sie uns ein buntbedrucktes Taschentüchlein und liebe Grüße sandte. Wahrscheinlich hatte sie keine Vorstellung von unserer Not oder meine Nachricht sprachlich nicht verstanden. Sie war damals Ende 50, also noch nicht etwa senil.

Foto: Beryl auf einer Blumenwiese in Iowa, USA, um 1920

 


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