1943-45 In der Fremde


 

Die Weißbrot-Torte 


Meine Tante Änne in Arnsberg hatte eines Tages eine Torte gemacht. Das ist heute eigentlich nichts besonderes, aber damals. Diese Torte war nach "zeitgemäßem" Rezept zubereitet: abwechselnd geschichtet aus Weißbrotscheiben, einer dünnen Lage wässeriger Marmelade, und Vanillepudding aus minderwertigem Puddingpulver und Magermilch. Obendrauf war sie garniert mit gerösteten Haferflocken als Krokant-Ersatz. 

Tante Änne stellte sie zum "Durchziehen" in die kühle Waschküche - Kühlschränke gab es nicht - und zwar in den gerade ungenutzten Waschkessel des Waschofens, wo sie ihrer Meinung nach gut aufgehoben war. 

Sie hatte aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht: mein Vetter Kai, heute ein bekannter Berliner Musiker, damals ein lustiger braunhaariger Junge, der Heinzi gerufen wurde, rotbackig, mit kugelrundem Gesicht, 4 Jahre alt, schlich unbemerkt hinterher. . . Er kletterte am Waschkessel hoch und hängte sich kopfüber auf den Kesselrand, um zuerst mal Pudding und Marmelade zu schmausen. 

Je mehr er gegessen hatte, um so tiefer musste er in den Kessel hineinlangen, um an die Torte zu kommen. Das wurde immer schwieriger, bis er zuguterletzt holterdipolter in den Waschkessel stürzte und mit dem Kopf in der Torte steckte, d.h., was davon noch übrig war. 

 

Auf sein Geschrei kam Tante Änne hinzugerannt, und dann gabs nach guter - eher schlechter - alter Sitte "Popoklätsche mit Anlauf!"

 

Foto: Kai, der Tortenschmauser, und Marlies im Arnsberger Wald


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