Von brutalen Diktatoren und tödlichem Humor
In den 70ern befragte man Schüler:
Was
wisst ihr über die Nazizeit?
Antwort:
Der Führer damals hieß Hitler. Deshalb mussten sich alle Leute so
grüßen: Hi, Hitler!
Soll man entrüstet sein über das geschichtliche Unwissen der Jugendlichen? Oder sich freuen, wie komisch-läppisch und unwichtig dieser ehemals ehrfurchtgebietende "deutsche" Gruß geworden ist? -
Ich erinnere mich,
dass ich eines Tages, ein 8-jähriges Schulkind, eine Bescheinigung bei der NSDAP-Ortsgruppe in Schalke abgeben
musste. Die braunen Funktionäre schickten mich immer wieder hinaus vor die Tür, bis ich sie statt mit "Guten Tag" endlich mit "Heil Hitler" grüßte. (Ein
beliebter Scherz zu diesem Thema war: "Heil Hitler!!!" Antwort:
"Heil du ihn doch!")
Heute machen sich meine Söhne einen Spaß daraus,
wie in einem überdrehten Slapstick den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben, 2 Finger der linken Hand
pantomimisch als Schnurrbart unter die Nase zu halten, und zackig mit überkippender Stimme wie Hitler fanatisch zu brüllen:
"Rrrrrrotz-brrrrrrrem-se!" . . . Der große Diktator.
Englischer Historiker empfiehlt: Die Deutschen sollten viel mehr über Hitler lachen
Waz, Samstag, 13. Januar 2001
Die Deutschen sollten viel mehr über Hitler lachen. Das empfiehlt der englische
Historiker und Hitler-Biograf Ian Kershaw. Zwar sei der Diktator auch für ihn die Verkörperung des Bösen, sagt Kershaw. Aber man müsse Hitler
dringendst entdämonisieren.
Lachen über den schlimmsten aller Massenmörder - solch eine Forderung mag schocken. Und doch, so zeigt die Geschichte, fürchten die Diktatoren in aller Welt nur eines mehr als die Gewalt des Volkes: den Humor der
Unterdrückten. Das war bei den Nazis so, wo man für einen bösen Witz über Hitler den Tod riskierte. Das war unter Stalin so, wo jahrelange Haft im Gulag drohte.
Es ist ja nur zu verständlich, dass sich die Menschen mit ihrem beißenden Humor über die Despoten öffentlich zurückhielten, solange es um Leib und Leben
ging. Hinter vorgehaltener Hand wurde damals allerdings oft gelästert. Warum aber machen wir uns heute nicht lustig über die abgehalfterten Verbrecher? Weil ihre Untaten zu brutal waren? Oder schämen wir uns, dass wir gekuscht haben vor mittelmäßigen Bürokraten wie Honecker? Finden wir es peinlich, dass unsere Väter und Großväter Hurra
riefen vor einem offensichtlich größenwahnsinnigen Diktator? Um wie viel leichter ist es doch
zu ertragen, Hitler als brutalen Übermenschen darzustellen, gegen den man sich nicht wehren
konnte.
Dabei hat es Charlie Chaplin doch gezeigt. Er hat Hitler schon 1940in der ätzenden Satire "Der große Diktator" als brüllenden Wahnsinnigen karikiert. Nie wieder ist ein Despot derart demaskiert worden. Die Nazis haben Chaplin gehasst für diesen Film. Sie
wussten, warum. Diktatoren in aller Welt, sie haben nämlich nur eines noch weniger als Skrupel: Humor. Für sie ist er tödlich. Auch heute noch. luz
Foto: Hitler in der Maske
von Charlie Chaplin.
Oder ist es umgekehrt? ;-)
2006 berichtet Spiegel online im Englischen Teil:
Neuerscheinung über Humor in
der Nazi-Zeitvermittelt interessante Einblicke in das Leben im Dritten Reich
und bricht noch ein Tabu über den Umgang der Deutschen mit ihrer
Geschichte.
Der Verfasser Rudolph Herzog
schreibt:
"Es war gefährlich, diese Witze zu erzählen.
'Defätismus' (Pessimismus) wurde nun zu einem Verbrechen, das mit dem
Tode bestraft wurde, und für einen Witz konnte man erschossen werden. Nach
dem Zusammenbruch von Stalingrad und den ersten Bombenangriffen auf deutsche
Städte schlug der politische Humor um in Galgenhumor, aus Albernheit wurde
purer Sarkasmus."
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