FeudalismusDas Feudalsystem, das sich im Spätmittelalter aus dem Lehnswesen entwickelt hatte, war gekennzeichnet durch die Vorrangstellung jener feudalen Gruppen, welche die Macht und das Kapital besaßen, das ihnen die "feudale" Lebensführung gestattete. Einige wenige hatten das Verfügungsrecht über Grund und Boden und die Verfügungsgewalt über die dort lebenden Menschen. Entscheidend gefördert wurde dies System durch die von der Kirche propagierte angeblich "gottgewollte" Hierarchie der Gesellschaft. "Der Herr schuldet den Untertanen Schutz und Hilfe. Diese aber schulden dem Herrn Gehorsam und verschiedene Abgaben, welche in Geld oder Naturalien entrichtet werden."
So war der Hof Marnach der Herrschaft einer adeligen Oberschicht unterstellt, zuletzt der Herrschaft Clerf. Der Landesherr hatte diese Oberschicht mit politischen, verwaltungsmäßigen, richterlichen und gesellschaftlichen Vorrechten ausgestattet.
Die adelige Oberschicht hatte eine eindeutige Vorzugsstellung gegenüber den anderen Schichten. Daraus ergab sich eine nach modernen Rechtsbegriffen kaum zu verstehende Mischung von angemaßter Willkür und patriarchalischer Fürsorge.
ProtesteDie Leute von Marnach waren längst nicht immer einverstanden mit den anmaßenden Forderungen der Herrschaft, die oft Prozesse zu führen hatte, weil ihre Untertanen unberechtigte Abgabeforderungen verweigerten und gegen ungerechte Handlungen rebellierten.
So führten die Einwohner von Marnach beim Schlossherrn der Freiherrschaft Clerf Klage über einen Amtmann, der für sich selbst Frondienste forderte, die die Leute nicht leisten wollten.
Sie waren sowieso schon verpflichtet, für die Clerfer Herrschaft zu jedem Hochfest ein "Fuder Holz zum Clerfer Schloß zu fahren, die Eigenleuth mußten Dünger ausfahren, Heu und Früchte des Herrn wie Korn
(Roggen oder Heidekorn = Buchweizen, Hafer) einfahren, das sie vorher schneiden
mußten."
Der ausgebeutete Bauer
Diese Karikatur aus dem 18. Jh zeigt einen tiefgebeugten Bauern bei seiner mühevollen Feldarbeit mit der Hacke, der auf seinem Rücken einen Adligen und einen Geistlichen (Prälaten) schleppt. Obendrein fressen ihm noch die Kaninchen den Kohl vom Acker, die Krähen picken seine Körner auf dem Feld. Eine Anspielung auf die Steuern und die Abgaben in Geld und Naturalien, die aller sozialen Gerechtigkeit spottend fast ausschließlich auf den Ärmsten, dem Dritten Stand (Handwerker und Bauern), lasteten. Adel und Geistlichkeit zahlten kaum, erhielten vielfach sogar noch Pensionen oder Leibrenten. Abbildung: Die Last des Dritten Standes
Verachtung von Arbeit der Bauern und Handwerker und fehlendes technisches und ökonomisches Verständnis machen den Adel dem Wirtschaftsleben gegenüber verständnislos. Sein Betätigungsfeld, Jagd und Kriegsführung, verursacht zudem erhebliche wirtschaftliche Störungen. Es bewirken die Hetzjagden nicht selten beträchtliche Ernteverluste, weil nämlich Bauern die Treiber zu stellen hatten, und damit ihre Tätigkeiten auf Äckern und in Ställen vernachlässigen mussten, aber das Wild auf ihren Äckern nicht jagen und selbst behalten durften. Die Aristokratie und der geistliche Stand sind nicht genug an der Erwirtschaftung von Überschüssen (z.B. zur Vorratshaltung und zur Produktivitätssteigerung) und an Investitionen und Innovationen interessiert, sondern suchen sich zunehmend in Luxus für Wohnung, Kleidung, Nahrung, Festen und Waffen gegenseitig zu überbieten, um mit Ansehen auch Macht zu verbinden. Auch der Klerus, der die "vita activa" lehrt, ohne sie selbst zu praktizieren, verachtet das tätige Leben der Bauern und imitiert mit seiner Sammlung von Pfründen, seiner Prachtentfaltung in Bauten, Festlichkeiten, Textilien, Gold- und Silbergegenständen seinerseits das Leben des Adels. Die Klöster, die sich mit Chroniken, Hagiographien und Bibliotheken beschäftigen, bringen dem "opus aedificiale", dem Bau und der Ausschmückung von Kirchen und Klöstern mehr Interesse entgegen als dem "ora et labora". Schwere und schmutzige Arbeiten bleiben den "Laienbrüdern" im Haus überlassen. Handwerker und Künstler finden durch die Bauaktivitäten und die Kunstsammlungen des Klerus zwar Arbeit, haben jedoch aus wirtschaftlicher Sicht selten einen Nutzen davon. (nach Wikipedia)
Der Bundschuh
Sonne
der Gerechtigkeit,
Schon im 15. Jahrhundert war das Lehnswesen zu purem Feudalismus degeneriert. Der Widerstand der Ausgebeuteten wurde stärker.
Der Bundschuh, der grobe Schnürschuh des Bauern, mit Riemen zum Festbinden, wurde als Feldzeichen in Bauernaufständen gebraucht als Gegensatz zu den festen Stiefeln der weltlichen und geistlichen Obrigkeit. Der Bundschuh wurde zum Symbol für "Empörung".
In der Kirche herrschten erhebliche Missstände – viele abwertend "Pfaffen" genannte Geistliche führten ein ausschweifendes Leben. Sie profitierten von Stiftungen und Erbschaften der reichen Bevölkerung sowie von Abgaben und Spenden der Armen, trieben schwunghaftem Ablasshandel und kassierten den Zehnt. - Der Klerus war natürlich gegen jede Veränderung: Die katholische Amtskirche in ihrer angeblich gottgewollten hierarchischen Struktur lieferte die gedankliche Basis für den Feudalismus; und die kirchlichen Einrichtungen waren in der Regel selbst feudal organisiert – kaum ein Kloster existierte ohne zugehörige Dörfer. Die Protestanten Zwingli in Zürich sowie Calvin in Genf vertraten öffentlich die Ansicht, dass jeder Mensch auch ohne die Vermittlung der Kirche seinen Weg zu Gott und seinem Seelenheil finden könne. Nach 1525 verlor der Protestantismus seinen revolutionären Geist und festigte, auch von Luther unterstützt, die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse mit dem Glaubenssatz „Seid untertan der Obrigkeit“.
Die Bauern selbst wollten vor allem ihre altüberlieferten Rechte wieder herstellen. Das „Alte Recht“, ein mündlich überliefertes Recht, wurde von den Grundherren zunehmend frei interpretiert oder vollkommen ignoriert. Seit Jahrhunderten bestehende Allmenden wurden enteignet und gemeinschaftliche Weide-, Holzschlag-, Fischerei- oder Jagdrechte beschnitten oder abgeschafft. Die Bauern wollten ein menschenwürdiges und gottesfürchtiges Leben führen. Sie forderten deshalb
"Gott hat kein Ansehen der Person, der Hirte gilt ihm soviel wie der Kaiser, und der Mesner (Küster) soviel wie der Papst... Wenn ich das Ganze überdenke, ist Huldigen (= Kniefall vor dem Feudalherrn) eine gottlose Sache. Du kniest vor einem nieder, gibst dich ihm zu leibeigen und zahlst dafür noch Zins, ... als freies Kind Gottes ...
Wer zu einem andern sagt, du bist mir leibeigen, der ist kein Christenmensch. Sie brauchen den Bauern nicht als Bruder, sie brauchen ihn als Sklaven." Zitat
nach Wilhelm Eichner, "Wir können von den Pfaffen nit
genesen", Roman der Bauernkriege
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Die
Zwölf Artikel
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Bevor die Bundschuh-Verschwörung nachhaltig wirksam werden konnte, wurde sie aber an den Bischof von Speyer verraten. Die Folgen für die Verschwörer waren hart. Schätzungen zufolge haben allein durch die Niederschlagung der verschiedenen Aufstände etwa 100.000 Bauern ihr Leben verloren, viele von ihnen nach erbarmungslosen Martern und grausamen Foltern.
Joss Fritz konnte immer wieder entkommen, später verliert sich seine Spur. Er zählt ohne Zweifel zu den wichtigen Personen in der Geschichte der Bauernaufstände. Er suchte "nichts als die Gerechtigkeit Gottes ... "
Holzschnitt von Albrecht
Dürer: Joss Fritz
Joss Fritz?
Spuren im Niemandsland,
zerronnen, vergessen, verweht ...
Die Straße ist geblieben und der Wind
und die Sehnsucht
nach der göttlichen Gerechtigkeit ...
In den folgenden 300 Jahren verschlechterte sich das Los der Bauern eher noch mehr, doch sie begehrten kaum noch auf. Erst mit der Märzrevolution von 1848/49 (Deutsche Revolution) konnten Ziele durchgesetzt werden, die die Bauern bereits in ihren Zwölf Artikeln 1525 formuliert hatten.
(nach Wilhelm Eichner, "Wir können von den Pfaffen nit
genesen", Roman der Bauernkriege,
"Bayerns böse Buben", Eichborn Verlag, und nach Wikipedia )
von Franz-Josef Degenhardt
(...)
Joss Fritz, gejagt auf allen Straßen,
im Weiberrock, am Bettlerarm,
wird Fisch und taucht im Volke unter und wieder auf als Dorfgendarm,
und lernt den Feind und lernt die Schliche, taktiert und reorganisiert
und konspiriert mit Pfaff und Bürger, und mancher Mann sympathisiert.
Den Aufruhr in die Köpfe tragen wie kaltes Feuer, heißes Eis,
geduldig, listig und verschlagen, und warten können, weil er weiß:
Lasst nicht die roten Hähne flattern. ehe der Habicht schreit.
Lasst nicht die roten Hähne flattern vor der Zeit.
(...)
Und als die schönen Sensen glänzten und Morgensterne glänzten mit,
und als der Hammer Helme knackte, und als die Sichel schneller schnitt,
und als die schönen Schlösser brannten, und als der Bischof Gnade
bat,
und als die Reiterheere flohen und Mauern brachen vor der Stadt,
da ging die Saat auf, die er säte im schönen Nachtigallenmai.
Und zieht dahin, der helle Haufe, Joss Fritz ist irgendwo dabei
und lässt die roten Hähne flattern beim hellen Habichtschrei,
und lässt die roten Hähne flattern
und war dabei
und ist dabei.
Hervorhebungen: M N
Anmerkung:
Während der Bauernkriege war der Hahn ein Symbol des Widerstandes gegen klerikale und adlige Unterdrückung.
Die Bauern sangen schon 1525: »Setzt aufs Klosterdach den roten Hahn«,
was konkret bedeutet: "Steckt das Kloster in Brand!"
Die Bürgerrevolutionen am Ende des 18. Jh. in Marnach und Luxemburg,
die franz. Revolution von 1789 mit der Nationalversammlung,
die feierliche Abschaffung aller Feudalrechte und Privilegien ohne Entschädigung,
die Zugehörigkeit Luxemburgs als Wälderdepartement zu Frankreich von 1794 bis 1815,
befreiten die Bauern von der Herrschaft Clerfs, samt der Willkür des Adels über Höfe, Grundrechte und Fronen.
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