Eine Weihnachtsgeschichtevon Marga Thomé, Dichterin und Lehrerin, die ihr Leben lang in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Luxemburg lebte, in Trier, wo sie 1960 starb. Ihre Stoffe nahm sie aus der Geschichte und der Begegnung mit Menschen. So auch "Herrn Oehmchens Weihnacht", eine Geschichte aus dem Ösling zur Zeit der Franz. Revolution. Ah! ça ira, ça ira, ça ira - les aristocrats à la
lanterne! ... hängt die Aristokraten auf! Damals gehörte Luxemburg zu Frankreich und hieß "Wälder-Department" (1794 - 1815) . Der Papst hatte nur noch unbedeutende Rechte, Kirchengüter wurden versteigert, Bischöfe und Priester sollten vom Volk gewählt und vom Staat besoldet werden. Sie sollten den Treueid auf die Nation schwören. Eine sehr schwierige Lage für die Luxemburger! "Kein Glockengeläut, kein
Gottesdienst mehr! Die Priester verbannt oder vertrieben, weil sie den
Eid auf die Republik nicht leisteten. Wie hätten sie auch Gesetzen
Treue schwören können, die gegen Gott kämpften!"
Abb.:
... Fast scheint es so, als habe die Verfasserin der Weihnachtsgeschichte die Marnachleute selbst gekannt: "Die Marnachleute machen sich nichts daraus, wenn der Gendarm sie bestrafe, ... Die Marnach-Großmutter, eisgrau, aber aufrecht und voll grimmigen Mutes, ..." Herrn Oehmchens Weihnacht
Vorsichtig klopfte der Junge an das Brett, das den Eingang zu der Felsenhöhle
verschloss. Zugleich rief er: "Herr Oehmchen, macht auf! Ich bin es, der Lambert!"
Der Priester Anton Zweig streckte die Hände über das Feuer, um sie zu wärmen." Wärme dich auch, Lambertchen", sagte er zu dem Jungen. "Und was gibt es denn? Wegen einer Kleinigkeit kommst du doch nicht durch dieses nasskalte Dezemberwetter bis in meinen Schlupfwinkel." - "Sicher nicht, Herr Oehmchen! Die Großmutter hat mich geschickt, ich soll euch sagen, die Bertrand-Großmutter sei sehr krank und verlange nach euch. Ob ihr es nicht wagen wolltet zu kommen?" Der Priester seufzte. Es war ein Jammer, wie das jetzt im Lande stand. Nun schrieb man schon 1798, und immer noch hatte diese Gegend der Westeifel, die man das Oesling nannte, soviel durch die französischen Revolutionsmänner zu leiden, die dieses Gebiet erobert hatten. Kein Glockengeläut, kein Gottesdienst mehr! Die Priester verbannt oder vertrieben, weil sie den Eid auf die Republik nicht leisteten. Wie hätten sie auch Gesetzen Treue schwören können, die gegen Gott kämpften! Abb. oben: Winter in den Ardennen, www.wirtzfeld.be
Jesus Christus, unser ehemaliger Herr ...
Im Wald Herr Oehmchen sah ihm ein Weilchen nach, wie er pfeifend durchs Laub stapfte. Wie trüb und kalt es war! Schnee und Regen und ein eisiger Wind! Bald war Weihnachten. Ach, ach, man konnte sich nicht ein wenig freuen. Wenn einem das Herz wie ein Stein in der Brust lag......... Er wandte sich wieder in das Innere der Höhle, suchte eine Weile in einem Kleiderbündel und begann sich umzuziehen. Bald stand er fertig: ein alter Bauer mit grauem Bart und Haar und langem Kittel. Herr Oehmchen lachte über sich selbst. In hundert Verkleidungen war er schon durchs Land gezogen, und immer noch war er den Gendarmen entwischt.
Wenn er nur diesmal unbehelligt blieb! Der armen Bertrand-Mutter hätte er so gern Hilfe gebracht auf ihrem letzten Weg.
Zitternd vor Kälte Zwei Stunden lag er dort im Gestrüpp, nass bis auf die Knochen, zitternd vor Kälte. Nun hielt er's nicht mehr aus. Eine halbe Stunde weiter den Bach hinauf war eine Mühle. Gute Leute wohnten dort, und Herr Oehmchen kroch durch die Weiden bis dorthin. Gerade kam die Mühlenmutter aus der Hintertür, um die Hühner zu füttern. Da sah sie den alten Mann, dem die Weiden das Gesicht blutig geschlagen hatten. Sie blieb stehen. Wer war das? Wie entsetzlich sah der Alte aus!
In der Mühle Da sagte Herr Oehmchen: "Mühlenmutter, habt ihr kein Eckchen frei am Ofen für mich alten Landstreicher?" Die Mühlenmutter stieß einen gellenden Schrei aus und ließ die Schüssel mit dem Hühnerfutter fallen. "Maria zu lieben, der Herr Pfarrer...........!" Niemals hätte sie sich getraut, den Priester Anton Zweig auch nur anzurühren. Aber diesen armen alten Mann, der vor Kälte zitterte und dem der Kittel wie ein nasser Sack anklebte, musste sie an die Hand nehmen und in die warme Stube führen. "Jesus, Maria, gewiss sind die Gendarmen hinter euch her," rief sie, sprang hin und verriegelte die Haustüre und rief ihrem Mann zu, dass er seine Sonntagskleider bringe. Nach einer Weile saß Herr Oehmchen wohlig getrocknet hinterm Ofen, rauchte sein Pfeifchen und trank den Tee, in den die Müllerin ihm einen guten Schluck Kornbranntwein hineingeschüttet hatte. Und dann wollte er wahrhaftig wieder weiter. Aber da rief die Mühlenmutter ihren Mann zu Hilfe, und der große, gewaltige Adam Wiltz kam herein, stellte sich vor die Türe und sagte: "Wir lassen euch nie und nimmer heraus!" Gewiss, Herr Oehmchen fühlte wohl, daß sein altes Gebein noch nicht so recht wollte. Aber die arme Bertrand-Mutter! "Da ist nichts zu machen," sagte der Müller. "Und denkt doch, am Ende sind die Gendarmen noch im Dorfe!" Da ergab Herr Oehmchen sich.
In grauer Frühe Am anderen Morgen stand er in der
grauen Frühe marschbereit. Adam Wiltz, der daran war, die Mehlsäcke auf den Wagen zu laden und fortzufahren,
musste ihm einen alten Knechtkittel geben und ihn noch ordentlich mit Mehl bestäuben. Dann setzte er sich auf den Wagen und fuhr als alter Müllerknecht mit. Es wäre nun alles gut gewesen, wenn nicht der Gendarm Denis an diesem Morgen den Einfall gehabt hätte, den alten Priester zu fangen. Am Tag zuvor hatte er herausgekriegt,
dass im Bertrandhause eine schwerkranke Frau lag. Ah, da musste er
aufpassen! Da stellte der Bürger Zweig sich sicher ein.
Die Marnach-Großmutter Die Marnach-Großmutter, eisgrau, aber aufrecht und voll grimmigen Mutes, griff nach einem ordentlichen Besenstiel, schrie ihrer Magd zu: "Marei, komm mit!" Und dann hinaus, von Haus zu Haus. " Du Lies, Madlen, Gritt, Sus heraus! Der Pfarrer sitzt im Bertrandhause, und der Gendarm will ihn fangen. Können wir das zugeben, dass ein Priester Gottes gefangen wird? Voran, nicht gesäumt! Die Hanfschwinge geholt, den Spinnrocken! Du Ann, die Heugabel! Sie sollen merken, was es heißt, wenn die Frauen kommen!" Im Handumdrehen waren alle bereit. Und es war gewiss ein seltsamer Trupp, der durchs Dorf zog. Der Gendarm Denis machte Augen wie Tassen, als er mit dem gefesselten alten Priester aus dem Bertrandhause kam. Was wollten die Weiber denn? Das sah ja gefährlich aus! Und plötzlich stand die grimmige Marnach-Großmutter vor ihm und hielt ihm die Arme fest. Und hinter ihm, neben ihm hängte es sich an ihn, zog und zerrte und ließ nicht los und beschwerte ihn wie mit Bleigewichten. Wie in einem dichten Klumpen Bienen steckte er, und wie er auch fluchte und sie abzuschütteln suchte, er steckte fest, einfach fest. Und da stand zum Überfluss noch eine Gruppe, die schwang ihre Besenstiele und Spinnrocken wie Schwerter, und alle miteinander riefen: "Den Herrn Pfarrer wollen wir frei haben, den rührt nur nicht an!" Und natürlich hatten sie ihm schon die Fesseln gelöst. Und Herr Oehmchen schritt selig lächelnd die Dorfstraße hinab, frei und ungehindert. Der dicke Gendarm tobte und fluchte Himmel und Hölle zusammen. Es nützte nichts. Er war in stärkeren als eisernen Ketten. Was konnte er gegen diese Weiber machen? Abb oben.: Großmutter, www.der-kleine-medicus.de
Das wilde Ösling Es war also nichts mit dem Fang für diesen Morgen. Langsam ließ Denis sein Pferd dem Wald zutraben, der, wie er
wusste, des Pfarrers Schlupfwinkel barg. Die wilden Oeslingwälder waren zwar wie Fallen mit tausend Löchern. Aber man konnte nicht wissen, man konnte nicht wissen....... Denis ritt und ritt durch den Wald. Nichts war zu hören als das Rauschen des Regens und der Schneeflocken in dem dürren
Gelaub. - - -
Die Stimmen Herr Oehmchen war inzwischen in Zickzackwegen durch den Wald geflüchtet, seinem Schlupfwinkel zu. Und je länger er durch die Wildnis irrte, um so schwerer wurde ihm das Herz. "Es ist bald Weihnachten," dachte er. "Aber für mich kommt kein froher Christtag mehr. Immer gehetzt und verfolgt......" Da hörte er plötzlich ein lautes Stöhnen. "Was ist das?" dachte er und blieb stehen. "Sollte da ein Mensch in Not sein?"
Lambertchen "Aber was nun?" sagte der Priester. "Hier könnt ihr nicht liegen bleiben. Und ich kann euch nicht fortschaffen. Ich muß sehen, wie ich euren Leuten Nachricht zukommen lassen kann." - "Er geht und kommt nicht mehr zurück," dachte der Gendarm. - "Nur habe ich Angst, was in der Zwischenzeit mit euch geschehen könnte. Ihr
wißt, Freunde habt ihr nicht unter den Oeslingsleuten." Er zog seinen dünnen schäbigen Rock aus und warf ihn über den Gendarm. Dann ging er wieder hin, brach Tannenreisig und breitete es über de Verletzten. "So, damit nicht jeder euch von weitem sieht. Aber ihr merkt ja, wenn es Freunde sind. Und nun lasse ich euch allein und hole Hilfe."
Foto: Wilhelm Niehues als der "Schlingel Lambert"
Im Weihnachtswald Der Priester kehrte zu Denis zurück. "Eure Leute werden bald
kommen," so tröstete er ihn. "Es tut mir leid, daß ihr solche Schmerzen habt." Der Gendarm lag in glühender Verlegenheit. "Ich sein eure Feind," stieß er schließlich hervor. "Warum ihr mir helfen?" - -
- "Weil der Herr Jesus mein Meister ist," sagte Herr Oehmchen und
wusste selbst nicht, warum ihm die Tränen in die Augen schossen. Und dann auf einmal war es ihm, als ob sein Herz, das ihm wie ein Eisklumpen in der Brust gelegen hatte, zu tauen beginne. Rasch und selig,
dass die Herzflut aufrauschte in einer wunderbaren Freude:
"Christus ist geboren."
Konnte er jetzt noch im Walde bleiben? Er wanderte zurück zum Dorfe, spürte nichts von Schnee und Kälte. In einer Scheune sammelte er seine Pfarrkinder und predigte, nein, jubelte ihnen zu,
dass Christus geboren, dass Weihnachten war. Fotos
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