Die Kirche im Ösling


Eine Weihnachtsgeschichte

von Marga Thomé,  Dichterin und Lehrerin, die ihr Leben lang in der unmittelbaren Nachbarschaft zu Luxemburg lebte, in Trier, wo sie 1960 starb. Ihre Stoffe nahm sie aus der Geschichte und der Begegnung mit Menschen. So auch "Herrn Oehmchens Weihnacht", eine Geschichte aus dem Ösling zur Zeit der Franz. Revolution. 

Ah! ça ira, ça ira, ça ira - les aristocrats à la lanterne! ... hängt die Aristokraten auf!
so lautet der Beginn eines bekannten Kampfliedes aus der Zeit der Französischen Revolution (1789).  Es rief zum Kampf gegen König, Klerus und Adel auf mit dem Ziel: „Liberté, Egalité, Fraternité“ („Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“).  Die Revolution bewirkte den Wandel von der feudalen zur kapitalistischen Gesellschaft. Die Monarchie wurde gestürzt und eine Republik geschaffen. 

Damals gehörte Luxemburg zu Frankreich und hieß  "Wälder-Department" (1794 - 1815) .  Der Papst hatte nur noch unbedeutende Rechte, Kirchengüter wurden versteigert, Bischöfe und Priester sollten vom Volk gewählt und vom Staat besoldet werden. Sie sollten den Treueid auf die Nation schwören. Eine sehr schwierige Lage für die Luxemburger!  

"Kein Glockengeläut, kein Gottesdienst mehr! Die Priester verbannt oder vertrieben, weil sie den Eid auf die Republik nicht leisteten. Wie hätten sie auch Gesetzen Treue schwören können, die gegen Gott kämpften!"   

 

Abb.: 
Verwüstungen in der Kirche St. Denis in Frankreich
nach der Franz. Revolution. http://www.kb.dk 

 


 

... Fast scheint es so, als habe die Verfasserin der Weihnachtsgeschichte die Marnachleute selbst gekannt: "Die Marnachleute machen sich nichts daraus, wenn der Gendarm sie bestrafe,  ... Die Marnach-Großmutter, eisgrau, aber aufrecht und voll grimmigen Mutes, ..."

 

Herrn Oehmchens Weihnacht 


Die Felsenhöhle

Vorsichtig klopfte der Junge an das Brett, das den Eingang zu der Felsenhöhle verschloss. Zugleich rief er: "Herr Oehmchen, macht auf! Ich bin es, der Lambert!" 

Da wurde das Brett drinnen zur Seite geschoben. Ein alter Mann mit schneeweißem Haar und unendlich gütigen Augen im zerfurchten Gesicht steckte den Kopf heraus. "Du, Lambertchen? Aber was gibt es denn? Komm herein, es ist hässlich draußen."



"Sommer ist es noch nicht," lachte der Junge, der 13 Jahre zählen mochte und wie die Durchtriebenheit selber aussah. Er riss die Mütze vom Kopf und schüttelte den Schnee ab, dass es nach rechts und links nur so spritzte. Dann schob er sich in die Höhle, wo ein kleines Feuer brannte.

 

Der Priester Anton Zweig streckte die Hände über das Feuer, um sie zu wärmen." Wärme dich auch, Lambertchen", sagte er zu dem Jungen. "Und was gibt es denn? Wegen einer Kleinigkeit kommst du doch nicht durch dieses nasskalte Dezemberwetter bis in meinen Schlupfwinkel." - "Sicher nicht, Herr Oehmchen! Die Großmutter hat mich geschickt, ich soll euch sagen, die Bertrand-Großmutter sei sehr krank und verlange nach euch. Ob ihr es nicht wagen wolltet zu kommen?" 

Der Priester seufzte. Es war ein Jammer, wie das jetzt im Lande stand. Nun schrieb man schon 1798, und immer noch hatte diese Gegend der Westeifel, die man das Oesling nannte, soviel durch die französischen Revolutionsmänner zu leiden, die dieses Gebiet erobert hatten. Kein Glockengeläut, kein Gottesdienst mehr! Die Priester verbannt oder vertrieben, weil sie den Eid auf die Republik nicht leisteten. Wie hätten sie auch Gesetzen Treue schwören können, die gegen Gott kämpften!

Abb. oben: Winter in den Ardennen, www.wirtzfeld.be

 


 

Jesus Christus, unser ehemaliger Herr ...

 
"Jesus Christus, unser ehemaliger Herr," hatte ein Republikaner auf das zerstörte Kreuz am Wiesenweg geschrieben. Nein, den Eid konnte man nicht auf sein Gewissen nehmen. Lieber ließ man sich wie ein Wild von Schlupfwinkel zu Schlupfwinkel hetzen und von den Gendarmen verfolgen, wenn man heimlich mit seinen Pfarrkindern die Messe feierte, die Sakramente spendete.



"Die Großmutter hat gesagt, ihr solltet vorsichtig sein," sagte der Junge. "Der Gendarm, wisst ihr, der dicke Denis, schnüffelt immer um das Dorf herum. Die Bertrands waren nicht so kühn, euch zu rufen. Aber Großmutter hat gesagt: Für seinen Glauben muss man alles tun. Und wenn der Herr Oehmchen nachts käme, sollte er zu uns hereinkommen. Die Marnachleute machen sich nichts daraus, wenn der Gendarm sie bestrafe, weil sie einen Priester beherbergten." Er reichte dem Priester die Hand, und fort war er.


 

Im Wald

Herr Oehmchen sah ihm ein Weilchen nach, wie er pfeifend durchs Laub stapfte. Wie trüb und kalt es war! Schnee und Regen und ein eisiger Wind! Bald war Weihnachten. Ach, ach, man konnte sich nicht ein wenig freuen. Wenn einem das Herz wie ein Stein in der Brust lag......... Er wandte sich wieder in das Innere der Höhle, suchte eine Weile in einem Kleiderbündel und begann sich umzuziehen. Bald stand er fertig: ein alter Bauer mit grauem Bart und Haar und langem Kittel. Herr Oehmchen lachte über sich selbst. In hundert Verkleidungen war er schon durchs Land gezogen, und immer noch war er den Gendarmen entwischt. Wenn er nur diesmal unbehelligt blieb! Der armen Bertrand-Mutter hätte er so gern Hilfe gebracht auf ihrem letzten Weg.

Solange er durch den Wald wanderte, fühlte er sich sicher. Aber dann musste er eine Strecke weit über die Landstraße. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht. Wie        Nadeln stach die Kälte. Herr Oehmchen krümmte sich zusammen, schaute die Straße ab, die Straße auf, und schlich voran wie ein Dieb. Da, auf einmal Hufgetrappel in der Ferne! Wie ein Blitz fuhr es ihm in die Knochen: die Gendarmen! Wohin jetzt? Keine andere Rettung als das Weidengestrüpp drunten am Bach! Er kroch den Abhang hinunter in die Weiden hinein und kauerte sich auf den Boden. 


 

Zitternd vor Kälte

Zwei Stunden lag er dort im Gestrüpp, nass bis auf die Knochen, zitternd vor Kälte. Nun hielt er's nicht mehr aus. Eine halbe Stunde weiter den Bach hinauf war eine Mühle. Gute Leute wohnten dort, und Herr Oehmchen kroch durch die Weiden bis dorthin. Gerade kam die Mühlenmutter aus der Hintertür, um die Hühner zu füttern. Da sah sie den alten Mann, dem die Weiden das Gesicht blutig geschlagen hatten. Sie blieb stehen. Wer war das? Wie entsetzlich sah der Alte aus! 


 

In der Mühle

Da sagte Herr Oehmchen: "Mühlenmutter, habt ihr kein Eckchen frei am Ofen für mich alten Landstreicher?" Die Mühlenmutter stieß einen gellenden Schrei aus und ließ die Schüssel mit dem Hühnerfutter fallen. "Maria zu lieben, der Herr Pfarrer...........!" 

Niemals hätte sie sich getraut, den Priester Anton Zweig auch nur anzurühren. Aber diesen armen alten Mann, der vor Kälte zitterte und dem der Kittel wie ein nasser Sack anklebte, musste sie an die Hand nehmen und in die warme Stube führen. "Jesus, Maria, gewiss sind die Gendarmen hinter euch her," rief sie, sprang hin und verriegelte die Haustüre und rief ihrem Mann zu, dass er seine Sonntagskleider bringe. Nach einer Weile saß Herr Oehmchen wohlig getrocknet hinterm Ofen, rauchte sein Pfeifchen und trank den Tee, in den die Müllerin ihm einen guten Schluck Kornbranntwein hineingeschüttet hatte. Und dann wollte er wahrhaftig wieder weiter.

Aber da rief die Mühlenmutter ihren Mann zu Hilfe, und der große, gewaltige Adam Wiltz kam herein, stellte sich vor die Türe und sagte: "Wir lassen euch nie und nimmer heraus!" Gewiss, Herr Oehmchen fühlte wohl, daß sein altes Gebein noch nicht so recht wollte. Aber die arme Bertrand-Mutter! "Da ist nichts zu machen," sagte der Müller. "Und denkt doch, am Ende sind die Gendarmen noch im Dorfe!" Da ergab Herr Oehmchen sich.


 

In grauer Frühe

Am anderen Morgen stand er in der grauen Frühe marschbereit. Adam Wiltz, der daran war, die Mehlsäcke auf den Wagen zu laden und fortzufahren, musste ihm einen alten Knechtkittel geben und ihn noch ordentlich mit Mehl bestäuben. Dann setzte er sich auf den Wagen und fuhr als alter Müllerknecht mit. Es wäre nun alles gut gewesen, wenn nicht der Gendarm Denis an diesem Morgen den Einfall gehabt hätte, den alten Priester zu fangen. Am Tag zuvor hatte er herausgekriegt, dass im Bertrandhause eine schwerkranke Frau lag. Ah, da musste er aufpassen! Da stellte der Bürger Zweig sich sicher ein.

Herr Oehmchen mochte vielleicht eine halbe Stunde im Dorf sein, da kam auch der Gendarm. Er band sein Pferd am Eingang des Dorfes fest und ging spornstreichs dem Bertrandhause zu. So rasch kam er, dass selbst Lambertchen, der die ganze Zeit über Wache gehalten hatte, überrascht wurde. Nur einen Augenblick war er weggelaufen, um sich ein Butterbrot zu holen. Als er zurückkam, sah er eben noch, wie der dicke Denis im Bertrandhause verschwand. 

Dem Lambertchen blieb der Bissen im Halse stecken. Das, das war ihm denn doch noch nicht vorgekommen! Aber im nächsten Augenblick wandte er sich und schoss wie ein Blitz nach Hause. Wenn einer hier helfen konnte, war es nur noch die Großmutter. Und "Großmutter, der Denis ist ins Bertrandhaus gegangen. Er wird Herrn Oehmchen fangen," stürzte er daheim in die Stube. "Helft, helft!"


 

Die Marnach-Großmutter

Die Marnach-Großmutter, eisgrau, aber aufrecht und voll grimmigen Mutes, griff nach einem ordentlichen Besenstiel, schrie ihrer Magd zu: "Marei, komm mit!" 

Und dann hinaus, von Haus zu Haus. " Du Lies, Madlen, Gritt, Sus heraus! Der Pfarrer sitzt im Bertrandhause, und der Gendarm will ihn fangen. Können wir das zugeben, dass ein Priester Gottes gefangen wird? Voran, nicht gesäumt! Die Hanfschwinge geholt, den Spinnrocken! Du Ann, die Heugabel! Sie sollen merken, was es heißt, wenn die Frauen kommen!" Im Handumdrehen waren alle bereit. Und es war gewiss ein seltsamer Trupp, der durchs Dorf zog.

Der Gendarm Denis machte Augen wie Tassen, als er mit dem gefesselten alten Priester aus dem Bertrandhause kam. Was wollten die Weiber denn? Das sah ja gefährlich aus! Und plötzlich stand die grimmige Marnach-Großmutter vor ihm und hielt ihm die Arme fest. Und hinter ihm, neben ihm hängte es sich an ihn, zog und zerrte und ließ nicht los und beschwerte ihn wie mit Bleigewichten. 

Wie in einem dichten Klumpen Bienen steckte er, und wie er auch fluchte und sie abzuschütteln suchte, er steckte fest, einfach fest. Und da stand zum Überfluss noch eine Gruppe, die schwang ihre Besenstiele und Spinnrocken wie Schwerter, und alle miteinander riefen: "Den Herrn Pfarrer wollen wir frei haben, den rührt nur nicht an!" Und natürlich hatten sie ihm schon die Fesseln gelöst. Und Herr Oehmchen schritt selig lächelnd die Dorfstraße hinab, frei und ungehindert. Der dicke Gendarm tobte und fluchte Himmel und Hölle zusammen. Es nützte nichts. Er war in stärkeren als eisernen Ketten. Was konnte er gegen diese Weiber machen?

Abb oben.: Großmutter, www.der-kleine-medicus.de

 


 

Das wilde Ösling

Es war also nichts mit dem Fang für diesen Morgen. Langsam ließ Denis sein Pferd dem Wald zutraben, der, wie er wusste, des Pfarrers Schlupfwinkel barg. Die wilden Oeslingwälder waren zwar wie Fallen mit tausend Löchern. Aber man konnte nicht wissen, man konnte nicht wissen....... Denis ritt und ritt durch den Wald. Nichts war zu hören als das Rauschen des Regens und der Schneeflocken in dem dürren Gelaub. - - -

Plötzlich kam Unruhe über ihn. Wie unheimlich es doch hier war! Allerorts gab es Aufstände im Oesling. Nun, wenn ihm hier ein paar von diesen Bauernrebellen begegneten, dann wusste er, was ihm blühte. Er gab dem Pferd die Sporen und galoppierte durch die Waldesstille. Aber auf einmal stolperte das Tier über eine Baumwurzel, und der Reiter flog gegen einen Baum. Mit gebrochenem Bein blieb er liegen. Das Pferd war weitergerast. Er hörte nichts mehr von ihm. Furchtbar stand die kalte Einsamkeit des Waldes um ihn. Eine halbe Stunde mochte er so gelegen haben, da machte er den Versuch, sich weiterzuschaffen. Aber eine solche Qual peinigte ihn dabei, dass er vor Schmerz brüllte.


 

Die Stimmen

Herr Oehmchen war inzwischen in Zickzackwegen durch den Wald geflüchtet, seinem Schlupfwinkel zu. Und je länger er durch die Wildnis irrte, um so schwerer wurde ihm das Herz. "Es ist bald Weihnachten," dachte er. "Aber für mich kommt kein froher Christtag mehr. Immer gehetzt und verfolgt......" Da hörte er plötzlich ein lautes Stöhnen. "Was ist das?" dachte er und blieb stehen. "Sollte da ein Mensch in Not sein?"

Er ging in der Richtung weiter, aus der das Stöhnen gekommen war. Als er die Zweige eines Tannengebüsches auseinander bog, prallte er zurück. Denn da lag ein grimmigster Feind vor ihm und konnte nicht von der Stelle. Einen Augenblick stand Herr Oehmchen fassungslos. Eine Stimme in ihm frohlockte: "Den hat es endlich erwischt......." Aber dann schob sich ein mildes Antlitz vor ihn. Und eine andere Stimme sagte: "Liebet eure Feinde!"

Und schon kniete der alte Mann neben dem Verunglückten. "Was ist euch geschehen? Ich will euch helfen." Es klang warm und brüderlich. Aber der Gendarm gab keine Antwort, biss in ohnmächtigem Schmerz die Zähne zusammen. Wie sollte der Alte dort ihm helfen? Er, der jahrelang von ihm gehetzt und verfolgt worden war. Trieb wohl nur Spott? Aber Herr Oehmchen trieb keinen Spott. "Das Bein scheint gebrochen," sagte er mitleidig. Er erhob sich, brach einen Arm voll Tannenreisig und schob es unter das verletzte Bein, um es gerade zu lagern. Denis unterdrückte nur mit Mühe sein Stöhnen.

"Welche Schmerzen ihr doch habt! Wartet!" Herr Oehmchen griff in die Tasche und zog ein Fläschchen Branntwein heraus, das die Bertrandleute ihm im letzten Augenblick beigesteckt hatten. Er hielt es dem Gendarmen an die Lippen. "Trinkt, es wird euch gut tun!" Denis wollte nicht. Aber Herr Oehmchen schüttete ihm den Feuertrunk ein, und da musste er schlucken. Und es tat ihm wirklich gut, das merkte man.


 

Lambertchen

"Aber was nun?" sagte der Priester. "Hier könnt ihr nicht liegen bleiben. Und ich kann euch nicht fortschaffen. Ich muß sehen, wie ich euren Leuten Nachricht zukommen lassen kann." - "Er geht und kommt nicht mehr zurück," dachte der Gendarm. - "Nur habe ich Angst, was in der Zwischenzeit mit euch geschehen könnte. Ihr wißt, Freunde habt ihr nicht unter den Oeslingsleuten." Er zog seinen dünnen schäbigen Rock aus und warf ihn über den Gendarm. Dann ging er wieder hin, brach Tannenreisig und breitete es über de Verletzten. "So, damit nicht jeder euch von weitem sieht. Aber ihr merkt ja, wenn es Freunde sind. Und nun lasse ich euch allein und hole Hilfe." 
                                         
Herr Oehmchen stapfte tapfer voran. "Hätte ich jetzt das Lambertchen hier," dachte er. "Der Junge wäre der beste Bote, den ich nach Arzfeld zu den Leuten des Gendarmen hinschicken könnte." Unverhofft ging sein Wunsch in Erfüllung; denn der Schlingel Lambert hatte sich auf die Beine gemacht und war dem Gendarmen in guter Entfernung gefolgt. Er wollte nämlich wissen, ob der den Herrn Oehmchen am Ende nicht doch noch finden werde. Er tat so, als sammle er Holz. Hier ein Reis, dort ein Reis. Kein Gendarm hätte Verdacht schöpfen können. 

Welch ein Gesicht machte der Junge, als er Herrn Oehmchens Auftrag vernahm. Man konnte ihm deutlich anmerken, dass er dachte: "Aha, der Gendarm? Endlich! Oh, das ist mal gut! Und in diesem Falle habe ich ja Zeit." - - - Aber Herr Oehmchen sah ihn ernst an, so, als hätte er alles in ihm gelesen. Und er sagte: "Wir sind Christen, Lambertchen." Hm, da blieb einem ja nichts anderes übrig, als zu tun, was Herr Oehmchen wollte. Da war wirklich keine Schlingelei zu machen. Und der Junge sauste fort.


Foto: Wilhelm Niehues als der "Schlingel Lambert"

 


 

Im Weihnachtswald

Der Priester kehrte zu Denis zurück. "Eure Leute werden bald kommen," so tröstete er ihn. "Es tut mir leid, daß ihr solche Schmerzen habt." Der Gendarm lag in glühender Verlegenheit. "Ich sein eure Feind," stieß er schließlich hervor. "Warum ihr mir helfen?" - - - "Weil der Herr Jesus mein Meister ist," sagte Herr Oehmchen und wusste selbst nicht, warum ihm die Tränen in die Augen schossen. Und dann auf einmal war es ihm, als ob sein Herz, das ihm wie ein Eisklumpen in der Brust gelegen hatte, zu tauen beginne. Rasch und selig, dass die Herzflut aufrauschte in einer wunderbaren Freude: "Christus ist geboren."

 Er kniete da, streichelte Denis die Hände und sprach ihm Worte der Ermutigung zu. Bis er in der Ferne die Leute von Arzfeld kommen hörte. Da verschwand er im Walde. Immer noch war die große, die wunderbare Freude in ihm. War der Wald noch kahl? Ach was, dies war der schönste Weihnachtswald! Hinter jedem Busch winkten Wunder, Christus war geboren. Geboren im Herzen von Herrn Oehmchen. In seiner Kraft hatte er dem geholfen, der sein Feind war.

Konnte er jetzt noch im Walde bleiben? Er wanderte zurück zum Dorfe, spürte nichts von Schnee und Kälte. In einer Scheune sammelte er seine Pfarrkinder und predigte, nein, jubelte ihnen zu, dass Christus geboren, dass Weihnachten war.

Mittendrin fiel ihm ein, dass noch Advent war. Ach, was schadet das! Christus war doch geboren! Es war Weihnachten in seiner Seele. Und aus dem Herzen des armen alten Priesters rauschte eine so überreiche Freude in die Herzen all derer, die dort in der Scheune versammelt waren, dass sie zutiefst begriffen, was Weihnachten war, und dass sie sich reich und glücklich vorkamen in all ihrer Bedrängnis.

Erschienen in "Kölnische Volkszeitung" Nr. 897
Sonntag, 22. Dezember 1929

Fotos  
Oesling, Die Luxemburger Ardennen
, Editions Guy Binsfeld
Engel aus der Munshausener Kirche, Foto Wilhelm Niehues



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