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 Meine Oma
       Annemarie Böcking (Rautenberg), geb. 1868, war die einzige Person von meinen Großeltern,
      die ich kennen gelernt habe.  Als sie  im Februar 1944 in Arnsberg
        starb, war ich 7 Jahre alt.. Was blieb mir von ihr in
      Erinnerung? Sie war eine kleine freundliche Frau mit hochgestecktem
        dunkelwelligen Haar. (Foto rechts Weihnachten 1938 mit mir, ihrer Enkelin Marlies) Mit meiner Mutter unterhielt sie sich stets auf
        niederrheinisch Platt, vielleicht auch Duisburger Platt, so genau kann
        ich das nicht beurteilen. Es klingt mir jedenfalls bis heute noch immer
        vertraut und liebevoll, wenn ich es mal höre.    
    Martinslied, Fassung vom Niederrhein
 das die Kinder am Martinstag sangen (11. 11.), wenn sie von Haus zu Haus
        gingen um Süßigkeiten zu sammeln
 
 Sinter Mätes Vögelsche, heet son rot Kapögelsche,
  gefloge, gestoowe bös över de Rhin,
 wo die fette ferkes sin.
 Hier wohnt de rike mann,
 denn os brav wat gewe kann;
 gew wat, holt wat, ander johr all wehr watt.
 Lot os nit so lange stohn,
 wei wolle noch en hüske wider gohn.
 (...) Mus, mus komme rut,
 breng os apele und nöt herut!
 Apele un nöt die schmacke so gut
 wie en kleine petsfut.
 
 Sankt Martins Vögelchen
 hat so ein rotes Kapüzchen (Haube),
 geflogen, gestoben, bis über den Rhein,
 wo die fetten Schweine sind.
 Hier wohnt der reiche Mann, der uns gut was geben kann.
 Gebt was, holt was, auch nächstes Jahr schon wieder was.
 Lass uns nicht so lange hier stehn, wir wollen noch ein Häuschen weiter
        gehn.
 (...) Maus, Maus, komm raus, bring uns Äpfel und Nüsse heraus!
 Äpfel und Nüsse die schmecken so gut  wie ein kleiner Pferdefuß
        (der Teufel).
 
        
  
           Wer mit Sinter Mätes Vögelsche
        gemeint ist? Etwa die Martinsgans?
 Ihr fehlt aber das rote
        Kapüzchen.
 Wahrscheinlicher
 ist es
        der Schwarzspecht mit seiner roten Haube.
    Wenn
        "der reiche Mann" nichts zu
        naschen geben wollte, schrieen die Kinder:
 
        Dat Huus steht op eene Penn, dä Jizhals dä wohnt
        mitten dren.Jizhals, breäk dine Hals, dat dou morje sterve salls!
 Jizhals! Jizhals!  Jizhals!
 Das Haus, das steht auf einem Pinn, der Geizhals
        der wohnt mitten drin!Geizhals, brich dir den Hals, dass du morgen sterben sollst!
 Geizhals! Geizhals! Geizhals!
 Laternenkinder: http://www.kgs-thurner-str.kbs-koeln.de  Martinsgans: http://www.quedlinburg-online.de
 Schwarzspecht: www.biopresent.de
   
     Meine Oma konnte gut Bratäpfel
        machen und Schauergeschichten erzählen von ihrer Kindheit auf einem
        Rheinschiff. Eventuell war  sie sogar dem Klabautermann begegnet,
        gab sie manchmal zu verstehen. Und auch dem fliegenden Holländer,
        der jedem Unglück bringt, der ihn erblickt! Ein paar Matrosen hätten
        ihn mal gesichtet, wie er geradewegs übers Wasser auf sie zugesegelt
        sei. Zum Glück sei er eine halbe Meile von ihrem Schiff entfernt 
        verschwunden. Dann sang sie mir ein Lied vor:    Die Sonne geht unter, der Mond geht auf.
 Ein kleiner Matrose
 sitzt oben drauf.
 oder Wir gehören zusammen
 wie der Wind und das Meer.
 Von dir mich zu trennen
 ach, das fällt mir so schwer.
   Abb.: Das Schiff des fliegenden
      Holländers   
 
      Das Boot "Elisabeth"
 Ihr Vater Wilhelm Böcking aus St.Sebastian bei  Koblenz wie
      auch ihr Großvater Heinrich Pott aus  Rees hatten auf dem Rhein mit Lastkähnen
        (sie sagte immer "die" Boot) Frachten auf dem Fluss befördert als
        "Particuliere". Angeblich soll ihrem Vater  das erste
        Motor-Frachtschiff auf dem Rhein gehört haben. Es trug den Namen seiner
        Frau: Elisabeth.  Partikulier, Privatschifferengl. private ship's owner; frz. particulier
 Begriff aus der Binnenschifffahrt. Man unterscheidet Partikuliere und Reedereien. Partikulier ist ein selbständiger Schiffseigentümer, der auch selber fährt. Er besitzt nur ein oder wenige Schiffe.
 
 Meine Großmutter und ihre Geschwister sind alle auf dem
      Schiff geboren.
        Eigentlich hatte sie keinen festen Geburtsort, sondern ist
        "zwischen" Koblenz und Neuwied geboren, offenbar auf einer
        Talfahrt, denn die Geburt wird in  Neuwied beurkundet. Der Geburtsort
        ihres Vaters wird merkwürdigerweise auch in der Nähe von Coblenz mit 
        St.Sebastian Engers angegeben, seine Eltern waren Bauern dort.   Einer der
      Brüder meiner Großmutter, Johann Böcking, wurde
        in  Rotterdam geboren. War er also eigentlich Holländer? oder fuhr das
        Schiff auf exterritorialem Gebiet? Den Namen Böcking fand ich als Kind
        immer sehr passend, weil ich ihn mit dem Räucherfisch Bücking in Verbindung
        brachte und nicht wusste, dass er vielleicht von "Buche" abgeleitet ist. Oder kommt der
        Name von Beck= Bach? ...   Nicht nur
        die Geburt meiner Großmutter war abenteuerlich!
        Sie hat in ihrer Kindheit auch die gefürchteten "Schwarzen
        Pocken" überstanden, kleine Narben in ihrem Gesicht sah man noch.
        Die ganze Schiffsbesatzung wurde damals von der Seuche befallen, natürlich
        zum unpassendsten Zeitpunkt (doch wann passt sowas wohl?): als wieder
        mal ein Baby kam. Mutter Elisabeth mit dem Neugeborenen lag also unter
        Deck, als Vater Wilhelm hereinkam mit der Wollmütze auf dem Kopf, um
        nach den beiden zu schauen. "Aber Wilhelm, du hast ja unserm Jaköbche
        sein Mütz auf!" wunderte sich seine Frau. Doch sie irrte: der Kopf
        ihres Mannes war durch die Pockenerkrankung dermaßen angeschwollen, dass
        seine große Mütze so klein wie ein Kindermützchen aussah.    
 Freitag 20. Dezember 2002, 11:27 Uhr
 Studie beklagt falsche Vorstellungen über Pocken in USA
 
 Boston (AP) Die meisten Amerikaner haben einer Studie zufolge völlig falsche Vorstellungen von der Pocken-Krankheit. Ein Großteil der US-Bevölkerung gehe irrtümlich davon aus, dass die ansteckende Infektionserkrankung immer noch regelmäßig ausbreche und heilbar sei, hieß es in der am Donnerstag veröffentlichten
        Untersuchung der Harvard-Universität in Boston. Dabei liegt der weltweit letzte Pockenfall 25 Jahre zurück, und
         eine Heilmethode wurde nie gefunden.
 
 Zwei Drittel der Befragten äußerten den Wunsch, sich gegen Pocken impfen zu lassen, wie es auf der Internet-Seite des «New England Journal of
        Medicine» hieß. Die US-Regierung hat ihr Impfprogramm vor 30 Jahren eingestellt, will es jedoch im Januar aus Sorge vor einem möglichen Anschlag wieder aufnehmen.
  Der Pockenerreger wird durch Tröpfchen übertragen; die Infektion verläuft in 20 bis 50 Prozent aller Fälle tödlich.
        
       
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