In Rees,
Rheinstraße 7, neben der kleinen, uralten Evangelischen Kirche kauften sie ein
Grundstück und wurden sesshaft. (Das Haus wurde im 2. Weltkrieg zerstört,
heute gehört der Platz zur Kirche.) In Rees hatten schon ihre Eltern
gelebt.
Meine Großmutter und
ihre Geschwister saßen seinerzeit oft am Rheinufer - man konnte ganz leicht durch
ein Törchen in der Stadtmauer dorthin gelangen - und riefen weinend und
schluchzend hinter den Schiffen her. Sie wollten wieder auf Fahrt und
ins freie Leben auf dem Wasser.
Foto: Reeser Turm am Rheinufer
Foto: Schifferfamilie vor dem Steuerhaus. Im Vordergrund der Niedergang zur
Bootswohnung. Die Betten werden gesonnt.
Über das Leben an Bord eines Rheinschiffes
nach www.lauritzen-hamburg.de
Die Liebe zum Kahn ist eine Basis der Schifferpersönlichkeit. Häufig ist die Familie mit an Bord.
Für Schifferfamilien gehört der Wechsel beständig zum Leben: Ob plötzlich notwendige Rudermanöver, Landgang in
Ruhrort, Rees, Emmerich oder Rotterdam, Alleinfahrten oder Fahrten mit der Familie, Liegezeiten im Hafen oder wochenlange Fahrt; aus all dem entwickelt sich die anpassungsfähige, bedächtige und gefestigte Schifferpersönlichkeit.
Schifferkinder müssen beständig neu Anschluss finden, wenn sie alle paar Wochen die Schule wechseln. Das führt zu erstaunlicher Frühreife . Positiv wirkt sich die ständige elterliche Aufsicht aus.
Kinder an Bord sind aber auch besonders gefährdet: Jede 9. Familie berichtet trotz intensiver Aufsicht über einen Kindestod durch
Ertrinken.
Es fällt sehr schnell auf, dass Schiffer sich durch besondere Rücksicht und soziales Verhalten auszeichnen.
Anders ist die Familien- und Arbeitsgemeinschaft an Bord nicht aufrechtzuerhalten. Kommandotöne gibt es nicht. Häufig reicht ein Blick, um zu sagen, was man denkt.
Die Schifferstand ist eine weitgehend geschlossene Gruppe. Man heiratet unter sich, weil vermutlich nur Schiffertöchter bereit sind, ein Leben auf dem Schiff zu akzeptieren.
Schulferien bei den Großeltern
Als Annemarie und Carl Rautenberg später in Hochfeld
wohnten, haben ihre Kinder in Rees im Hause der Großeltern oft ihre Schulferien verbracht.
Ein
Onkel von ihnen war Zollbeamter in Rees, er schipperte mit einem Zollbötchen
auf
dem Rhein herum, zwischen Duisburg und Emmerich. Gelegentlich holte er die
Rautenberg-Kinder in Duisburg ab und brachte sie im Boot wohlbehalten
nach Rees.
Die Großeltern Böcking hatten dort in der Rheinstraße
einen Laden, in dem "Tante Sus" Lebensmittel, Feinkost und so exotische
Dinge wie Mandeln, Apfelsinen und leuchtendrote Tomaten verkaufte. Die
waren für Mimi eine große Enttäuschung, als sie endlich nach langem
Bitten von Tante Sus einen von den "schönen roten Äpfeln"
geschenkt bekam. Da konnte sie nur noch spucken!