Land der dunklen Wälder


Masuren

Der Jahreslauf

 

 

 

Im masurischen Jahreslauf sind etwa ebenso viele Frost- und Eistage (zuweilen bis -25°) wie frostfreie Tage. Es herrscht ein typisches Kontinental-Klima: heiße Sommer, kalte Winter. 

 

"Der Winter 1928/29 brachte große Kälte und riesige Schneemassen. Man fuhr im Schlitten in Höhe der Baumkronen."  

 



Foto: Am Plautziger See

Die malerischen Seen sind manchmal bis tief in den April/Mai hinein zugefroren. 

"Ein Ostpreuße von rechter Art / trägt seinen Pelz bis Himmelfahrt. (Mai) 
Und wenn wir schreiben Sankt Johann (24. Juni), / so zieht er ihn schon wieder an!"

 




Für die Feldarbeit bleiben nur durchschnittlich 140 Tage, nach einem kurzen Frühjahr folgt 
"meist ein großer Sommer und ein goldener Herbst. Keine Mühsal kann etwas daran ändern, dass der Boden karg bleibt, so dass der Kiefernwald die natürliche und das Kartoffelfeld die kulturelle Flora bestimmen." 

Mit den Schätzen des Landes wie Fisch, Wild, Holz ließ sich erst etwas anfangen, seitdem es seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit Kanal und Eisenbahn Transportmöglichkeiten gab.

 


 

Foto: Masurenhaus, aus Krockow, Begegnung mit Ostpreußen

Christian Graf von Krockow schreibt 1995 in "Begegnung mit Ostpreußen" 

"Das Vermächtnis der Armut lässt sich noch heute an alten und sehr kleinen Häusern mit Miniaturfenstern ablesen. Sie sehen zwar idyllisch aus, aber sie scheinen eher für Zwerge denn für Menschen zu passen. Jedenfalls müssen ihre Bewohner sich ducken statt aufrecht zu gehen. Oder sie müssen tatsächlich kleiner sein als anderswo."


(Möglicherweise bedeutet das Wort Mazur "kleiner Mensch").

 


Die Instleute

"Inmitten der Felder, hinter einer Abfahrt unter Bäumen liegen im Geviert das stattliche Wohnhaus, Pferdestall, Viehstall und Scheune. Wie es sich gehört, thront auf dem Viehstall das Storchennest. Von den Pferden über Kühe und Schweine bis zum Federvieh gibt es alles, was das Herz begehrt. Etwas abseits liegt das Leute- oder Insthaus ..." (Krockow)

Grafik: Gutshof in Ostpreußen mit Herrenhaus (Mitte), Kirche (links), Stallungen, Scheunen und Katen der Landarbeiter (Insthäuser)


 

 

 

Carls Großvater Michael war Knecht in Klein Gnie gewesen. (Ganz anders als wir heute denken, war "Knecht" die oberste Stufe in der Gesinde-Rangordnung eines Guts.) Carls Vater war Fabrikarbeiter (es gab dort Holzindustrie, Tuchfabrikation, eine Ziegelei, eine Brauerei) und "Instmann". Das heißt, er war auf einem Gut im Kreis Gerdauen, wahrscheinlich in Neuendorf, jeweils für 1 Jahr oder länger fest angestellt, im Gegensatz zum kurzfristig eingestellten "Scharwerker". Er leistete dort - vermutlich - gegen Lohn für seinen Gutsbesitzer "Handdienste",  und genoss - wenn er Glück hatte - evtl. etwas Landnutzung (nicht mehr als 1 ha) und Wohnrecht auf dem Gut in einer einfachen Kate oder zur Miete. 

Foto: Masurenbauer beim Sensedengeln
aus Unvergessene Heimat Ostpreußen, Weltbild Verlag


 

"Der Bauernstand ist für den Staat sehr wichtig ... er hat die Arbeit und die anderen den Ruhm."  

Friedrich II. (1712-1786), der diesen Satz gesprochen hat, ("der Alte Fritz", Bild rechts) versuchte zwar, das Los der Kleinbauern und Landarbeiter zu verbessern. Er  scheiterte aber mehr oder weniger am Widerstand der Adligen, die ihre Vorrechte nicht preisgeben wollten. Noch 1744 wurden bäuerliche Leibeigene in Königsberg öffentlich zum Verkauf angeboten. (Dieter und Renate Sinn: Der Alltag in Preußen)  

Jeder Tag war ein Arbeitstag, bis tief in die Nacht, je nach Belieben des Gutsherrn, dem lange Zeit "väterliche Züchtigung bei Ungehorsam, Faulheit und Mutwillen" erlaubt war und der trotz dieses "ungnädigen" Benehmens angeredet werden wollte mit "gnädiger Herr". 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Pferdemarkt in Masuren

aus Unvergessene Heimat Ostpreußen, Weltbild Verlag

 


Die Instleute hatten keinen persönlichen Grundbesitz, konnten nichts verpfänden, verkaufen, verschenken, vererben. Sogar ihr eigenes Ackergerät ging später in den Besitz des  Gutes über. Am Martinstag (11.November), Winterbeginn,  wechselte der Gutsherr das Gesinde. Das war für viele Knechte und Mägde ein neuer Lebensabschnitt, hoffnungsvoll oder mit Bangen erwartet. Die Ernte war eingebracht, Schweine und Martinsgänse geschlachtet, Feste wurden gefeiert. 

Eine andere Gelegenheit, wo es  Abwechslung und ein bisschen Vergnügen gab, waren die Kirmes und der alljährliche Pferdemarkt. Schon lange vorher freuten sich die Bauern darauf.

 


Am Martinstag begann auch für viele zehnjährige Kinder der Zwangsdienst auf dem Gutshof. Obendrein mussten die Jungen von nun an für den Heeresdienst zur Verfügung stehen! Sie wurden in die Militärlisten eingetragen (enroliert).  Aus diesem Arbeitsleben, dieser Fron oder gar Leibeigenschaft, sollten sie jahrelang nicht mehr freikommen. Und dabei jämmerlich entlohnt werden. Schulbesuch gab es nur im Winter, wenn überhaupt. Sicher war es ein sehr hartes, armes Leben.

Abb.: Schulunterricht in einer Scheune. 
Die Dorfkinder wurden oft von ehemaligen Soldaten unterrichtet, in Lesen, ein wenig Rechnen und Singen.


"Keine Bewegungsfreiheit, keine geregelte Arbeitszeit, keine Erlaubnis, ein Handwerk zu lernen, von Urlaub, Freizeitgestaltung oder gar Erholungsaufenthalten konnte überhaupt keine Rede sein; keine ausreichende Entlohnung, tägliche Abhängigkeit vom Gutsherrn und kaum eine Rechtshandhabe gegen ihn ..."(Der Alltag in Preußen) 

Die Dienste  waren oftmals "ungemessen", d.h. ohne Zeitlimit. Auch Sonntage waren nicht immer frei, der Bauer und seine Frau, Kinder und alle Familienangehörigen hätten eigentlich von früh bis spät schuften müssen, sei es für die Herrschaft, sei es auf ihren nur zur Nutzung geliehenen kargen Feldern ...

"Verständlich daher, dass die Masuren zwar die Langsamkeit und das Fluchen, aber nicht die Arbeit erfanden, die so wenig lohnte ... Wer will es ihnen verdenken?"  (Krockow)


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